P Ein gelungener
Erpressungsversuch
Falsche Rücksichtnahme auf Iran bei
Ermittlungen zu Terroranschlägen
VON RÜDIGER SCHEIDGES
M an stelle sich vor: eine Staatsanwalt-
schaft verzichtet darauf, Haftbefehl ge-
gen einen Gangster zu beantragen, weil sie
fürchtet, dessen Kumpane könnten unbe-
scholtene Bürger als Geiseln nehmen. Mit
solchem Hader, mit einer solchen Verbeu-
gung vor dem Verbrechen gelangte der
Rechtsstaat schnell an sein Ende. Auf inter-
nationaler Ebene hält es die Bundesrepublik
indes nicht mit dem strikten Legalitätsprin-
zip. Wenn die Bundesregierung meint, ein
Verfahren könnte ihre diplomatischen Krei-
se stören, packt sie den steinalten Paragra-
phen 153 c der Strafprozeßordnung aus und
macht übergeordnete Interessen geltend.
Dies ist jetzt im Falle Fallahians geschehen,
als die Bundesregierung mit diesem Paragra-
phen in Richtung Karlsruhe wedelte und der
Bundesanwaltschaft die mögliche Bedro-
hung deutscher Bürger im Iran suggeriert,
sollte die oberste Anklagebehörde weiterhin
ihr Ermittlungsverfahren gegen den irani-
schen Geheimdienstminister Fallahian, der
als Auftraggeber des vierfachen „Mykonos“-
Mordes in Berlin gilt, verfechten. Da braucht
es dann auch keine direkte Weisung mehr..
Iran erpreßt die Bundesregierung und die-
se schiebt den Schwarzen Peter den Bundes-
anwälten zu, die entscheiden sollen, ob sie
sich dem Vorwurf ausliefern, mit ihrem Ver-
fahren Deutsche in Gefahr zu bringen. Den
Antrag auf Haftbefehl gegen Fallahian haben
sie erst einmal auf Eis gelegt, obwohl sie der
Überzeugung sind, genügend Tatsachen er-
mittelt zu haben, die den Haftbefehl recht-
fertigen. Die gestern von der Bundesanwalt-
schaft dem Berliner Kammergericht präsen-
tierten Geheimdienst-Erkenntnisse zur Ver-
wicklung des iranischen Geheimdienstmini-
steriums in den „Mykonos “-Anschlag stüt-
15 5 1741 FREITAG, 12. JANUAR 1996
AA000303