Totaler Abbruch Die deutsche Geheimdiplomatie mit Iran stößt In Israel auf wachsendes Mißtrauen. A m frühen Morgen des 2. November rief Staatsminister Bernd Schmid- bauer bei Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem an. Doch am anderen Ende der Leitung er- tönte nur unverständliches Gebrabbel. Schmidbauers Anruf war bei Netan- jahus Sohn Jair, 5, gelandet. Der Steppke trollte sich ins Schlafriminer der Eltern und weckte den Papa: „Da ist einer für dich am Telefon, ich kann den nicht verstehen.“ Schmidbauer, Koordinator der deutschen Geheimdien- stc, hatte gute Nachrichten für Netanjahu: Wie erbeten, sei er mit führenden Männern der radikalen Organisationen Islamischer Dschibad und Hisb Allah in Verbindung getreten. Er habe „alles“ ge- tan, um Anschläge militanter Mos lems auf Ziele in Israel zu verhindern. Auch der deutsche Bun- deskanzler, gerade auf Asien- tour, schaltete sich ein. Von Tokio aus nahm er Kontakt auf zum iranischen Staats- präsidenten All Akbar Ha- schemi Rafsandschani. Iran, bat Helmut Kohl, solle die Gotieskrieger stoppen. Hintergrund der hektischen Diploma- tie: Der amerikanische Geheimdienst CIA haue die Regierung in Jerusalem darüber informiert, daß islamistische Ter- roristen aus Anlaß des Jahrestags der Er- mordung des palästinensischen Dschi- had-Führers Fathi Schakaki einen An- schlag auf das größte Hochhaus Israels planten — den Shalom-Tower in Tel Aviv. Das Büro von Premier Netanjabu bat Schmidbauer um Hilfe: Bonn möge sei- ne guten Kontakte zu Iran einsetzen. Die Mullahs sollten verhindern, daß der Dschihad noch vor den amerikani- schen Präsidentschaftswahlen in Israel zuschlägt.. Ob die Interventionen Kohls und Schmidbauers halfen, weiß keiner der Beteiligten. Der für Anfang November befürchtete Terroransehlag blieb jeden- falls aus. Artig bedankte sich Netanjabu öffentlich bei den Deutschen. Tatsächlich aber machen Regierungs- stellen in Jerusalem keinen Hehl daraus, daß sie die Dienste der Deutschen mit großem Widerwillen in Anspruch neh- men. Selbst die besten Bonner Taten stehen unter bösem Verdacht: Nur beiläufig gehe es der deutschen Regierung bei der Vermittlung zwischen Israel und seinen arabischen Todfeinden um humanitäre Aspekte, heißt es sogar aus dem Büro des Premiers. In Wirklichkeit wolle Bonn de- monstrieren. daß die von Israel bekämpf- te Politik des „kritischen Dialogs“ mit dem Terror-Unterstiitzer iran auch Vor- teile bringt. Israel müsse „endlich aufhören“, for- den die regierungsnahe Jerusalem Post, Deutschland das „Feigenblatt“ für den Handel mit einem Staat zu liefern, der weltweit den Terror finanziere. Wenn die Hisb Allah unbedingt mit Geiseln Ge- schäfte machen müsse, solle sie mit dem Roten Kreuz, der Uno „oder sogar mit Arafat verhandeln“: „Niemand braucht die deutsche Hilfe wirklich.“ Nicht nur das Mißtrauen der Israelis macht den Bonnern das Antichambrieren in Teheran schwer — nun droht Iran selbst mit dem Abbruch der Kontakte. Am Donnerstag vergangener Woche wurde der deutsche Botschafter in Tehe- ran, Horst BAchmann . ins Außenministeri- um bestellt. In harschem Tonfall verwahr- ten sich die Iraner gegen den Vorwurf deutscher Staatsanwälte, die iranische Führung sei Drahazieher des Mordan- schlags auf das Berliner Lokal „Myko- nos“, bei dem 1992 vier kurdisch-irani- sehe Oppositionelle im Kugelhagel ge- storben waren. Den Mordbefehl habe der religiöse Führer hans, Ah Chamenei, 1991 per- sönlich erlassen, hatte der Vertreter der Bundesanwa ltschaft , Bruno Jost, zwei Tage zuvor dem Berliner Kammergericht berichtet. Gebeimdienstminister Ah Fal- lahian sei mit der Umsetzung betraut worden Solche „Beleidigungen“ werde Iran nicht hinnehmen, erklärte nun das Te- heraner Außenamt.. Bonn müsse die Ver- antwortung „für jegliche Konsequenzen“ übernehmen. Teheran will gar General- bundesanwalt Kay Nehm ver- klagen, weil dieser „den ‚My- konos‘-Prozeß politisch um- gelenkt‘ habe. Die konservative Zeitung Kayhan fordert bereits „den totalen Abbruch der diplo- matischen und der Handels- beziehungen zu Deutschland und die Ausweisung des deut- schen Botschafters in Tehe- raC. Unterstüt zung für den „kritischen Dialog“ mit Iran erhoffen sich Kohl und Kinkel ausgerechnet aus Amerika. Vor den Präsident- schaftswahlen hatte sich Bill Clinton zwar offen mit den Nahost-Vermittler Schmldbauer Im Terrorismus 1 — Hlsb-Allah-Demonstratlon In Beirut: Böser Verdacht 30 DER SPIEGEL 47/1996 AA000287