Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 269 Die Mullahs und die Staatsräson Donnerstag, 21. November 1996 Iran eskaliert den Nervenkrieg gegen Deutschland, doch gilt es in einem sol- chen vor allem, die Nerven zu behalten. Die jüngste Drohung wurde in der „Heili- gen Stadt“ Ghom fabriziert. Dort haben mehrere tausend Geistliche eine Resolu- tion abgefaßt, wonach die „Beleidigun- gen“ der drei Bundesanwälte im Berliner Mykonos-Prozeß „in dieselbe Kategorie fallen wie die Satanischen Verse“ Salman Rushdies. Und, viel blumiger: „Die Söld- ner-Staatsanwälte müssen für dieses Ver- brechen die höchste Sühne verbüßen“ — es sei denn, daß diese „dreckigen faschisti- schen Ankläger “ sich entschuldigten. Das riecht penetrant nach einer „Fat- wa “ , also einem Todesurteil wie es Kho- meini 1989 gegen den Dichter verhängt hat. Die Bundesregierung sollte sich in diesem Konflikt nicht auf das Niveau der hvjterisierten $enge begeben. Genauer: Sii‘möge mit größerer. Aüfmerksamkeit die Signale ‘studieren,, die von 4en staath- ehen Kräften hans ausgesazldt werden. Signal 1: Zwar wird die deutsche Bot- schaft weiter von organisierten Eiferern belagert, aber gleiähzeitlg wird sie von einem stai‘ken Polizeiaufgebot beschützt. Signal 2 kommt von der allerhöchsten Autorität, dem Khomeini-Nachfolger und „Revolutionsführer“ Ah Chamenel. Der verteufelt in klassischer Manier die „Hauptfeinde“ Amerika und Israel. Poin- tiert fügt er hinzu: „Die Feindseligkeiten . anderer Regierungen werden von uns als geringer eingestuft.“ Bonn wird dergestalt bloß als manipulierter Handlanger des „Großen‘ und des „Kleinen Satans“ hinge-. stellt. Das ist zwar nicht sehr ehrenvoll, aber dennoch ein deutlicher Wink an die Gläubigen, die Sache nicht zu überdre- hen. Auf diese Botschaft sollte sich auch Klaus Kinkel konzentrieren. Denn: Ein Chamenei wiegt mehr als 1000 MjUjtJaij , — . _ „ . . 0 0 0 0 1 <