Seite 2 / Süddeutsche Zeitung Nr. 65 Montag, 18. März 1996 . : t - BGH-Entscheidung gefährdet deutsch-iranische BezT ! n Ø Teheran über Haftbefehl gegen Minister empört 1 „Deutsche Justiz hat keine Beweises / Staatspresse: Bonn steht unter dem Einfluß Israels T,heranlBonn (AFPfdpa) - Der Haftbe- fehl des Bundesgerichtshofes (BGH) ge- gen den iranischen Geheimdienstminister All Fallahian droht zu einer schweren Belastung für die deutsch-iranischen Be- ziehurigen zu werden. Teheran kritisierte die BGH-Entscheidung am Wochenende scharf. Die deutsche Justiz habe „absolut keine Beweise“ für ihre Anschuldigun- gen sagte der. Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Mahmud Moham- madi. Der Haftbefehl sei Jnakzeptabel“ und stehe im Widerspruch zur internatio- nalen Praxis. „Gruppen“, die die bilatera- len Beziehungen „untergraben“ wollten, hätten für die BGH-Ent.scheidung ge- sorgt. Der iranische Botschafter in Bonn, Sejed Hussein Musavian, hatte bereits am Freitag im AuswiirU en Amt gegen den Haftbefehl protestiert. Fallahian und seinem Ministerium wird vorgeworfen, das Attentat auf irani- sche Oppositionelle im September 1992 im Berliner Lokal „Mykonos “ gesteuert zu haben. Laut BundesanwalLschaft besteht der dringende Verdacht, daß Fallahian 4ie Erschießung des Generalsekretärs der „Demokratischen Partei Kurdistan-Iran“, Sadegh Charafkandi, und seiner drei Mit- arbeiter angeordnet hat. Die regierungsnahe Zeitüng Tehran Ttmes warf der deutschen Justiz vor, unter dem Einfluß Israels gehandelt zu haben. Bonn wurde in dem Artikel aufge- fordert, den „unverfrorenen Akt“ des Bundesgerichtshofes sofort zu untersu- chen und das „beleidigende Verhalten zu unterbinden, wenn es seine herzlichen Beziehungen zu Iran aufrechterhalten will“. Der iranische Botschafter Musavian sagte der f rankf u rter Allgemeinen Zei- tung, der Haftbefehl sei ‚völlig unbegrün- det“, da sein Land „in der Vergangenheit immer wieder den Terrorismus verurteilt und jede Verbindung zum Mykonos-An- schlag dementiert hat“. Die Entscheidung über den Haftbefehl sei „wohl beim Gipfel in Scharm el-Scheich ausgekocht wor- den“. In dem ägyptischen Ort hatten sich am vergangenen Mittwoch Staats- und Begierungschefs aus 29 Staaten getroffen, um sich demonstrativ für eine gemeinsa- me Terrorismus-Bekämpfung einzuset- zen. Musavian bekräftigte, Deutsche könnten sich trotz des Streits auch weiter- hin in Iran frei bewegen, „solange sie nicht in illegale Aktivitäten verwickelt sind ‘. Bundesaußenminister Klaus Kinkel forderte unterdessen eine eindeutige Di- stanzierung Itans vom Terrorismus. Zu- gleich drohte er mit einer Neubestim- mung der europäischen Politik, falls Te- heran die Erwartungen der EU nicht erfülle. Die bisherigen Stellungnahmen aus Teheran reichten nicht aus. Der „kriti- sche Dialog 0 , den Europa mit Iran führe, sei weder SeLbstzweck noch Einbahnstra- ße. „Wir wollen den Dialog, aber nicht um jeden Preis.“ Sollte Teheran nicht bereit sein, zu Fragen des Terrorismus bei der geplanten Mission der EU-Troika eindeu- tige Stellungnahmen abzugeben, ‚dann müssen wir neu nachdenken“. (Seite 4) a AA000256 —