Aadel Collection

Arrest Warrant, for Ali Falahian, the Minister of Intelligence and Security of the Islamic Republic of Iran, Ali Falahian

          
          Der Ermittlungsrichter 76125 Karlsruhe, den 14. März 1996
          des Bundesgenchtshofes Herrenstraße 45 a
          Telefon: 0721/159-0
          2 Bis 2951954 Telefax 07211159-831
          1 BGs 92196
          HAFTBEFEHL
          Der Minister für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten der lslami-
          schen Republik Iran
          AU FALLAHIJAN,
          geboren 1949 in Najafabad/lran,
          Dienst- und Wohnort vermutlich Teheran/Iran
          (näheres zur Person des Beschuldigten und zu
          seinem Wohnort ist nicht bekannt)
          ist in
          n
          Untersuchungshaft
          zu nehmen.
          Er ist dringend verdächtig,
          am 17. September 1992 in Berlin
          gemeinschaftlich mit anderen,
          aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch und mit gemeingefährlichen
          Mitteln,
          durch dieselbe Handlung
          AA000004
          
        
          
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          vier Menschen getötet und einen Menschen zu töten versucht zu haben;
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          - strafbar als Verbrechen nach § 211, 25 Abs. 2, 23, 52 StGB -.
          Anläßlich der vom 14. bis zum 18. September 1992 in Berlin stattfindenden
          Tagung der Sozialistischen Internationale hielt sich seit dem 14. September 1992
          auch die gesämte Führungsspitze der Demokratischen Partei Kurdistan-lran
          (“DPK-l“) in der Stadt auf. - Es waren dies der Generalsekretär der Partei,
          Dr. Sadegh Charafkandi (genannt Dr. Said) sowie die Europa- und Deutsch-
          Iandvertreter der Partei, Fattah Abdoli und Homayoun Ardalan. Sie wurden dabei
          von dem in Berlin lebenden Exiliraner Mohamadpour Dehkordi ( Nouri“) betreut,
          der ihnen auch als Dolmetscher zur Verfügung stand.
          Die DPK-l ist die wichtigste und politisch bedeutsamste Organisation der auf
          iranischem Staatsgebiet lebenden Kurden und zugleich eine der wichtigsten
          oppositionellen Gruppen des Iran überhaupt. Mit anderen oppositionellen Grup-
          pen steht sie in einem gewaltfrei geführten Wettbewerb.
          fl
          Am Rande der SI-Tagung trafen sich die genannten Personen am Abend des
          17. September 1992 ab etwa 20.00 Uhr in dem als Treffpunkt iranischer
          Oppositioneller bekannten Lokal “Mykonos“ in Berlin, Prager Platz 2, mit
          Vertretern anderer oppositioneller Gruppen zu einem politischen
          Meinungsaustausch. Insgesamt waren in einem Nebenraum des Lokals acht
          Gäste und der Wirt der Gaststätte, Tabib Ghaffari, versammelt, als gegen
          22.50 Uhr zwei mit einer Maschinenpistole “IMI“ KaI. 9 mm und einer Pistole
          “Llama “ KaI. 7,65 mm bewaffnete Männer in den Gastraum stürmten und gezielt
          das Feuer auf die ahnungslosen und sich keines Angriffs versehenden
          Dr. Charafkandi, Abdoli, Ardalan und Nouri eröffneten und sie durch zahlreiche
          Schüsse töteten, während Tabib Ghaffari durch einen Bauchschuß
          lebensgefährlich verletzt wurde.
          n
          
        
          
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          Als einer der beiden Todesschützen konnte am 4. Oktober 1992 der Libanese
          Abbas Rhayel ermittelt und festgenommen werden. Eine von seiner rechten Hand
          ( stammende daktyloskopische Spur wurde an der Tatwaffe “Liama“ gesichert. Mit
          ihm festgenommen wurde der Libanese Youssef Amin, der gemäß seinem
          Geständnis bei der Vernehmung durch den Richter als Türsteher während der Tat
          den Tatort absicherte. Aufgrund des Geständnisses wurde am 8. Oktober 1992
          der Iraner Kazem Darabi festgenommen, der von Amin als “Boss“ und Geldgeber
          der Tätergruppe bezeichnet wurde. Gegen diese drei Personen und zwei weitere
          mutmaßliche Gehilfen findet seit dem 28. Oktober 1993 vor dem 1. Strafsenat des
          Kammergerichts die Hauptverhandlung statt.
          Der Beschuldigte Fallahijan hat sich am Anschlag vom 17. September 1992 als
          Täter in folgender Weise beteiligt:
          Fallahijan ist und war im Zeitpunkt der Planung und Durchführung des Anschlags
          Chef des “Ministeriums für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten“
          der Islamischen Republik Iran. Dieses Ministerium unterhält u.a. einen eigenen
          Nachrichtendienst mit der Bezeichnung “Vevak“ und ist eng verflochten mit den
          sogenannten Revolutionswächtern “Pasdaran“, insbesondere mit deren
          Spezialtruppe “Ghods“.
          Es kennzeichnet den Umgang der Islamischen Republik mit oppositionellen
          Gruppen und Personen, daß sie solche Gruppen nicht nur verbietet, sondern
          deren Repräsentanten auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen verfolgt. Der
          Beschuldigte Fallahijan hat dies in einer Ansprache im staatlichen iranischen
          Fernsehen vom 30. August 1992 ausdrücklich hervorgehoben und dabei die DPK-
          1 namentlich als eine von seinem Ministerium verfolgte “Kleingruppe“ bezeichnet:
          “Wir verfügen über eine Sicherheitsabteilung, deren
          Operationen sich gegen konterrevolutionäre Kleingruppen
          richten ... Uns ist es gelungen, die zentralen Organisationen
          dieser Kleingruppen zu infiltrieren und die meisten ihrer
          Mitglieder zu verhaften. Insgesamt gesehen gibt es derzeit
          in unserem Land keine aktiven Kleingruppen mehr. Sie
          wurden zur Flucht aus dem Land gezwungen. Wir haben
          unsere Operationen fortgesetzt. Wir verfolgen sie jetzt und
          
        
          
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          beobachten sie ständig außerhalb des Landes. Wir haben
          ihre zentralen Organisationen infiltriert und sind über ihre
          Aktivitäten informiert ... Uns ist es gelungen, vielen dieser
          Kleingruppen außerhalb des Landes oder an den Grenzen
          Schläge zu versetzen. Wie Ihnen bekannt ist, handelt es
          sich bei einer der aktiven Kleingruppen um die Kurdische
          Demokratische Partei ... Wir konnten ihren Mitgliedern im
          vergangenen Jahr entscheidende Schläge versetzen. Den
          Haupt- und Nebenorganisationen [ der DPK-l] wurden
          schwere Schläge versetzt und ihre Aktivitäten gingen
          zurück.“
          Daß die Verfolgung opposit oneller Gruppen und ihrer Repräsentanten auch
          deren physische Vernichtung einschließt, wird durch den Mordanschlag vom
          13. Juli 1989 auf die damalige DPK-l-Führung in Wien belegt: Damals waren der
          Vorgänger Dr. Charafkandis im Amt des Generalsekretärs, Dr. Ghazzemlou, und
          sein Vertreter, Ghaderi Azzar, im Verlaufe von Geheimverhandlungen mit einer
          iranischen Regierungsdelegation von Mitgliedern dieser Delegation erschossen
          worden. Gegen diese Delegationsmitglieder bestehen in Österreich Haftbefehle
          des Landesgerichts für Strafsachen in Wien. Eines der Delegationsmitglieder
          - Djafari Saharoodi - übt inzwischen das Amt des Stellvertretenden Leiters des
          Pasdaran-Generalstabs aus. Angehörige der Pasdaran-Truppe “Ghods“ werden
          bei der Bekämpfung Oppositioneller und bei der Umsetzung von
          Anschlagsplanungen eingesetzt.
          Die Liquidierung oppositioneller Kräfte durch den iranischen Staat auch im
          Ausland ist hiernach kein Einzelfall. Dies wird durch weitere Fälle belegt:
          Das Schwurgericht Paris verurteilte am 6. Dezember 1994 und 16. Juni
          1995 insgesamt acht Iraner wegen Beteiligung an der Ermordung des
          ehemaligen iranischen Ministerpräsidenten Bakhtiar am 6. August 1991
          in Paris zu langjährigen bzw. lebenslangen Freiheitsstrafen.
          Aus dem einem Eröffnungsbeschluß nach deutschem Recht inhaltlich
          vergleichbaren “Verweisungsbeschluß“ vom 31. März 1994, der diesen
          Urteilen zugrundeliegt und im Gegensatz zu diesen begründet ist,
          ergibt sich, daß in Planung, Vorbereitung und Ausführung des
          Anschlags Angehörige zahlreicher staatlicher iranischer Einrichtungen
          
        
          
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          - z.B. des iranischen Post- und Fernmeldeministeriums, des iranischen
          Fernsehens und des iranischen Außenministeriums - eingebunden
          waren. Zwei von ihnen sollen nach Zeugenaussagen Angehörige des
          erwähnten lnformationsministeriums bzw. der eng damit verflochtenen
          Pasdaran gewesen sein.
          Der ehemalige iranische Erziehungsminister Prof. Dr. Ganji, Führer
          einer zur. iranischen Regierung in Opposition stehenden Gruppe
          namens “Fahne der Freiheit“, hat als Zeuge im Ermittlungsverfahren
          und in der Hauptv rhandlung vor dem Kammergericht geschildert, daß
          er wegen seiner oppositionellen Tätigkeit von der iranischen Regierung
          mit dem Tode bedroht werde und bereits zwei seiner engsten
          Mitarbeiter ermordet worden seien.
          Ein in diesem Zusammenhang in die dortige Hauptverhandlung
          eingeführtes Schriftstück, welches das Staatswappen des Iran, das
          Datum „16.3.93“ und die Unterschrift des Revolutionsgeneral-
          staatsanwaltes trägt und das in einer vom Bundesnachrichtendienst am
          8. Dezember 1994 abgegebenen gutachterlichen Erklärung als mit
          hoher Wahrscheinlichkeit echt bezeichnet wird, bestätigt die Angaben
          Prof. Dr. Ganjis. Es läßt zugleich erkennen, daß an der Umsetzung des
          darin enthaltenen Tötungsbefehls neben dem Außenministerium vor
          allem das Ministerium des Beschuldigten Fallahijan beteiligt ist, dem
          “die Einleitung von Maßnahmen, Auswahl und Benennung
          von versierten, erfahrenen und erprobten Agenten sowie die
          Bereitstellung von Möglichkeiten und Mitteln ...“
          obliegt.
          Am 16. Januar 1987 wurde in Hamburg der ehemalige Chefpilot der
          iranischen Regierung, All Mohammadi, von Unbekannten erschossen.
          Am 26. August 1989 wurde auf Zypern der iranische Oppositionelle
          Javadi ebenfalls von Unbekannten durch Schüsse getötet. In beiden
          Fällen wurden die Tatwaffen samt den dabei verwendeten
          
        
          
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          Schalldämpfer sichergestellt. Ihre vergleichende Untersuchung mit den
          im Fall Mykonos aufgefundenen Schaildämpfern ergab signifikante
          Übereinstimmungen in Herstellungsmerkmalen und Bearbei-
          tungsspuren.
          Die Liquidierung Oppositioneller ist hiernach dem Ministerium für
          Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten und den ihm nach- und zu-
          geordneten Stellen, insbesondere dem Nachrichtendienst Vevak und der Pas-
          daran-Truppe “Ghods“ übertragen. Chef des gesamten Apparates ist Minister All
          Fallahijan, der in dieser Ei enschaft zugleich dem Nationalen Sicherheitsrat
          angehört, in welchem solche Maßnahmen beraten und beschlossen werden.
          Der dringende Verdacht, daß die Tat vom 17. September 1992 eine iranische
          Auftragstat war, folgt auch aus einer Vielzahl unmittelbar tatbezogener
          Erkenntnisse:
          - In einem richterlich protokollierten Geständnis hat der Angeklagte Amin
          von einem Gespräch zwischen weiteren Tatbeteiligten berichtet, in dem
          ausdrücklich der Iran als “hinter der Tat stehend“ bezeichnet worden
          ist, der sich im Falle einer Festnahme der Täter um diese kümmern
          werde.
          - Als Drahtzieher und Bindeglied zwischen den iranischen Auftraggebern
          und den unmittelbar tatausführenden Hizbollah-Angehörigen ist der
          iranische Staatsbürger Kazem Darabi anzusehen. Er ist nach
          Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des
          Landesamtes für Verfassungsschutz in Berlin und des britischen
          Nachrichtendienstes Agent des iranischen Nachrichtendienstes Vevak
          und Angehöriger der Pasdaran. Somit untersteht er der
          Weisungsbefugnis des Beschuldigten Fallahijan. Darabi hat die
          Tätergruppe nach dem richterlich protokollierten Geständnis Amins bis
          zu ihrer Verlegung in die konspirative Wohnung Senftenberger Ring
          Nr. 7 in seiner eigenen Zweitwohnung Detmolder Straße 64 in Berlin
          untergebracht.
          
        
          
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          Nach einer durch das Bundesamt für Verfassungsschutz den
          Ermittlungsbehörden überlassenen Erkenntnis waren Mitglieder des
          von dem Beschuldigten geleiteten Ministeriums bzw.: des ihm
          unterstehenden Nachrichtendienstes unmittelbar am Berliner
          Tatgeschehen beteiligt.
          Die Angeklagten Amin und Rhayel, als unmittelbar Tatausführende,
          haben während ihrer Zugehörigkeit zu der vom Iran unterstützten
          Hizbollah im Iran in einem Ausbildungslager der Pasdaran-Truppen
          eine Spezialausbildung absolviert.
          Der als Fahrer des Fluchtwagens mitHaftbefehl gesuchte Beschuldigte
          Haidar hält sich nach Zeugenaussagen seit seiner Flucht aus
          Deutschland im Iran auf.
          Der flüchtige Käufer des Fluchtwagens, All Sabra, ist nach seinem Ver-
          schwinden aus Deutschland von einem Zeugen in Beirut beim Betreten
          des Hizbouah-Hauptquartiers gesehen worden.
          fl
          Eine der beim Anschlag vom 17. September 1992 verwendeten Waffen
          stammt aus den Beständen der ehemaligen kaiserlichen Armee des
          Iran.
          Einer der im Lokal unmittelbar eingesetzten Täter beschimpfte die
          Tatopfer unmittelbar vor ihrer Ermordung mit einem persischen
          Schimpfwort.
          Der irakische Kurdenführer Talabani, ein Freund des ermordeten
          Dr. Charafkandi, berichtete am Abend nach der Tat den deutschen
          Ermittlungsbehörden davon, daß die Tat “vom Iran“ begangen worden
          sei. Entsprechende Pläne seien bei der Festnahme von Pasdaran-
          Angehörigen durch irakisch-kurdische Peshmergas bereits im August
          1992 bekannt geworden. Er -Talabani - habe Dr. Charafkandi noch
          
        
          
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          wenige Wochen vor dem Anschlag vor entsprechenden Plänen des
          Iran gewarnt.
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          Die Täterschaft des Beschuldigten wird bestätigt durch die von dem Zeugen
          Staatsminister Bernd Schmidbauer in der Hauptverhandlung vor dem
          Kammergericht geschilderten zahlreichen Versuchen Fallahijans, Druck auf die
          Bundesregierung mit dem Ziel auszuüben, ein gerichtliches Verfahren in dieser
          Sache zu verhindern.
          Eine zusammenfassende Beurteilung des Hintergrundes, des Umfeldes und der
          wesentlichen Umstände der Tat (iranische Interessenlage, Umgang iranischer
          Stellen mit Oppositionellen, Planung und Ausführung vorbereitender Maßnahmen
          im Iran, Tatausführung in Berlin am 17. September 1992 und Verflechtung der bei
          diesem Anschlag unmittelbar oder im Hintergrund tätig gewordenen Personen)
          begründet den dringenden Verdacht, daß der Beschuldigte Fallahijan als Chef
          des zuständigen Ministeriums und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates
          aufgrund der sich daraus ergebenden Befehlsgewalt und
          Gestaltungsmöglichkeiten als Verantwortlicher mit Tatherrschaft an der Tat vom
          17. September 1992 beteiligt war.
          Die den dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten belegenden Umstände
          ergeben sich aus den Bekundungen zahlreicher im Ermittlungsverfahren und im
          Verlaufe der Hauptverhandlung gehörter Zeugen und Sachverständiger, sonsti-
          gen dabei herangezogenen Beweismitteln, insbesondere den Angaben des An-
          geklagten Amin, den Aussagen der Zeugen Grünewald (BfV), Annußek (LfV
          Berlin), Prof. Dr. Ganji, Ostovits (Kriminalpolizei Wien), den Angaben der Sach-
          verständigen Prof. Dr. Steinbach (Orientinstitut Hamburg) und Benstein (BKA; zu
          Waffen und Schalidämpfern), aus den herangezogenen Urkunden und
          Augenscheinsobjekten, insbesondere den Urteilen des Schwurgerichts Paris vom
          6. Dezember 1994 und 16. Juni 1995 sowie dem Beschluß vom 31. März 1994,
          dem “Tötungsbefehl“ betreffend Prof. Dr. Ganji und der hierzu abgegebenen
          Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 8. Dezember 1994 und
          den Haftbefehlen des Landesgerichts für Strafsachen in Wien.
          
        
          
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          Die Tat wurde heimtückisch begangen; darüber hinaus sind weitere
          Mordmerkmale erfüllt.
          Der Beschuldigte handelte aus niedrigen Beweggründen. Er hat sich aus eigener
          Willkür zum Herrn über Leben und Tod anderer gemacht. Dies kennzeichnet ein
          Handeln aus niedrigen Beweggründen (vgl. BGH - Beschluß vom 21. Juli 1970- 1
          StR 119/69 = NJW 1971, 571 f.)
          Die Tat wurde mit gemeingefährlichen Mitteln begangen. Dabei wird nicht
          verkannt, daß eine Maschinenpistole nur unter gewissen Voraussetzungen ein
          gemeingefährliches Mittel ist (OLG Dresden NJW 1947/1948, 274). Durch den
          Einsatz der mitgeführten Maschinenpistole, der dem Tatplan entsprach, geriet
          eine Mehrzahl unbeteiligter Personen in Lebensgefahr. Auch wer gezielt mit einer
          solchen Waffe auf bestimmte Personen schießt, hat es bei Tatausführung in
          einem geschlossenen Raum, in welchem sich weitere Personen aufhalten, nicht in
          der Hand, die Folgen seines Handelns auf die von ihm ausgewählten Opfer zu
          begrenzen. Diese rechtliche Würdigung entspricht der Rechtsprechung des
          Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13. Februar 1985 = NJW 1985, 1477 f.). Das
          Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. September 1992 - 1 StR 487/92 (BGHSt 38,
          353, 355) steht schon deshalb nicht entgegen, weil dort lediglich über die
          rechtliche Qualifizierung eines (einzigen) Schusses aus einer Pistole (nicht einer
          Maschinenpistole) zu entscheiden war.
          Es besteht der Haftgrund des 112 Abs. 3 StPO.
          Die nach gebotener verfassungskonformer Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO
          (vgl. BVerfGE 19, 342, 349 if.) erforderlichen Voraussetzungen sind gegeben:
          Es ist davon auszugehen, daß sich der Beschuldigte dem Strafverfahren nicht
          freiwillig stellen wird. Ohne Festnahme ist deshalb die alsbaldige Aufklärung und
          Ahndung der Tat gefährdet. Die Anordnung der Haft dient auch einer ungestörten
          Ermittlung der Wahrheit.
          Dazu ist im einzelnen folgendes auszuführen:
          
        
          
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          a) Iranische Regierungsstellen und der Botschafter der Islamischen
          Republik Iran haben wiederholt eine Beteiligung des Beschuldigten an
          der diesem vorgeworfenen Tat in Abrede gestellt. Dies und die
          Tatsache, daß der Beschuldigte als Mitglied der iranischen Regierung
          seinen ständigen Aufenthalt - zumindest gegenwärtig - im Iran hat,
          begründen die Annahme, daß der Beschuldigte für das Verfahren nicht
          zur Verfügung stehen, vielmehr gegebenenfalls alles daran setzen
          wird, sich diesem zu entziehen. Der Schutz des § 20 GVG, den der
          Beschuldigte als R präsentant der Islamischen Republik Iran genießt,
          wenn er sich in dieser Eigenschaft auf amtliche Einladung in
          Deutschland aufhält, gilt nur begrenzt. Bei Wegfall einer dieser
          Voraussetzungen unterliegt er uneingeschränkt der deutschen Ge-
          richtsbarkeit. Darüber hinaus erscheint es möglich, daß der
          Beschuldigte in einem Drittland ergriffen wird. In diesem Fall könnte
          nur auf der Grundlage eines deutschen Haftbefehls die Auslieferung
          des Beschuldigten betrieben werden.
          fl b) Die seit dem 28. Oktober 1993 im sogenannten Mykonos-Verfahren
          stattfindende Hauptverhandlung vor dem 1. Strafsenat des Kammerge-
          richts in Berlin hat zahlreiche Hinweise und Belege dafür erbracht, daß
          aus dem Umfeld der dortigen Angeklagten stammende Zeugen, die
          eigene Verbindungen zur Hizbollah haben, vor ihrer gerichtlichen
          Vernehmung massiven Einflußnahmen ausgesetzt waren mit dem Ziel,
          frühere, im Ermittlungsverfahren bei der Polizei zuungunsten der
          Angeklagten gemachte Aussagen zu widerrufen oder jedenfalls nicht
          zu wiederholen. Der Strafsenat des Kammergerichts hat deshalb sogar
          zwei Zeugen wegen diesen drohender Gefahr für Leib und Leben ein
          faktisches Zeugnisverweigerungsrecht zuerkannt.
          Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Steinbach in seinem
          schriftlichen Gutachten vom 5. April 1993 zur Verbindung Iran-
          Hizboflah, die Rede des Beschuldigten Fallahijan im iranischen
          Fernsehen vom 30. August 1992 und die im vorliegenden Fall und
          
        
          
          —11—
          einer Reihe von Vergleichsfälien deutlich werdende Interessenlage des
          Iran sowie die Angaben des Angeklagten Amin vor dem
          Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes in dem gegen ihn
          gerichteten Verfahren begründen den Verdacht, daß solche
          Einflußnahmen von iranischer Seite oder zumindest auf iranische
          Veranlassung erfolgt sind. Dabei drängt sich die Annahme auf, daß
          hierin auch der Beschuldigte als der für die Taten selbst unmittelbar
          Verantwortliche verwickelt ist. Dies legt den Verdacht weiterer
          Verdunklungshandlungen durch den Beschuldigten nahe.
          c) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob ernstlich zu befürchten ist,
          daß der Beschuldigte weitere Verbrechen der hier vorliegenden Art
          begehen wird. Die Ermordung des früheren iranischen Diplomaten
          Kazem Radjavi am 24. April 1990 bei Genf, des ehemaligen iranischen
          Ministerpräsidenten Bakhtiar am 6. August 1991 bei Paris und des
          Vorsitzenden der italienischen Sektion des Nationalen
          Widerstandsrates Iran, Naghid, am 16. März 1993 in Rom fallen
          jedenfalls in die Amtszeit des Beschuldigten, nach allen bisher
          vorliegenden Erkenntnissen auch in die Zuständigkeit des von ihm
          geleiteten Ministeriums.
          d) Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs ist die Anordnung der Haft
          verhältnismäßig.
          Dr. Wolst
          Richter am Bundesgerichtshof
          fl
          
        

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