Aadel Collection
Glean
. J)er Verfasser der Satanischen V s: k ine unbekann4 Größe Eine deutsche Merkwürdigkeit am Rande des „Falles Rushdie“, der jetzt weltweit in aller Munde ist Wer 1 im- mer bei uns über ihn spricht ader schreibt handelt von ejnem Autor, der ein Buch von über ftO Seiten ge- schrieben bat, das bei ULS qoch keiner gelesen hat Wie der Spior: der einst aus der Kälte kam, scheint der Ro- mancier der Satanischen Verse“ ein bislang anonymer Inder in Großbri- • tannien zu sein, von dem die Welt nichts wußte, bis ihn mordwütige chiiten zum internationalen Freiwild erklärten. Dabei sind, wie uns sein erster deut- sicher Verlag mitteilt, rund 75 000 Ex- emplare der Bücher: die ihn zuvor weltweit an die Seitt Gabriel Garcia Marquez‘ und Günter Grass‘ katapul- tiert hatten, über buIsd utsclw Buchhandlungen verrie e 4 1 wordef. 0000 Hardcoverbände sein 1983 bei Piper erschienenen „Mitternachtskin- der“ (von denen 590 000 Exemplare al- lein auf englisch erschienen sind), 35000 Exemplare des gleichen 600- • Seiten—Epos druckte dtv vor zwei Jahren nach; allerdings sitzt man bei Piper noch auf der Mehrzahl der dort 3985 erschienenen Erstauflage von .0 000 Exemplaren des 370seltigen Ro- mans ‘,Sch,aTn und Schande“. Der glei- che VerlaC dürfte auch nicht so son- derlich erfolgreich geworden sein mit dem Taschenbuch ‚Das Lächeln des Jaguars“, einem brillanten Erfah rungsbericht Rushdies nach einer Bei se in Nicaragua, 1987 erschienen. Man sollte also annehmen, der be- reits vor dem jetzigen Roman als Autor weltweit berühmt war, sei auch bei uns keine unbekannte Größe. Nur wird man belehrt unter 100 000 Exem- plaren ist so einer offenbar für uns ein Nobody, weil er von den Mühlen des Literaturbetriebs, der immer neues Futter verlangt, längst zermah- len wurde. Die bundesdeutsche Kritik hat durchaus den weltliterarischen Rang und die spezifische Qualität im Werk des 1947 in Bombay geborenen Mos: lerns, der aber in Großbritannien auf wuchs und sich entschied, don zu leben 1 weithin erkannt Sie hatte das Indien-Epos der „Mitternachtgkinder“ in dem die Familien- und Entwick- lungsgeschichte des Subkontinenis von 1947 bis zur despotischen Herr- schaft der „Hexe“ Indira Gandhi weit- fächrig ausfabuliert wurde, als einen . . 1iteraris9 en unQ politischen Wur wahrgen mme% der märchenhaft un‘.. grotesk, prall, :iunt und sinnlich mit der verfehlten Befreiung Indiens höchst scharf züngig ins Gericht ging. (BSld:AP) Ein Sktidalon, das 1ndiri Gandhi für „anti-indisch“ erklärte, ebenso dann Rushdies Pakistan-RF i „Scham und Schande“ jkufsehe‘ - regte. Dort stellte der Lutor, dessen Familie tals Moslems) von Indien nach Pakistan gegangen war, den Machtkampf zwischen General Zia i i i- Haq und Zulifar Ah Bhut o al f mon- ströse Allegorie jl r , an .:.enr Ende uletzi 1 t Frauer. -ias 1}pgizneüt über- pehmen Wie die ‚.Mitte iachtskinder“ rzählerisch von der „Blechtrommej“ (3ünter Grass‘ affiziert schienen — tand Rushdie heute mit Grass Freund- schaft verbindet (wir haben am 17. 10. 1988 einen für beide aufschlußreichen Essay des britischen Inders über den heimatvertriebenen Danziger publi- ziert) —‚ so weis Rushdle in dem schillernd-komplexen, aufregend-ab- gründigen Roman Schpjn und Schan- de“ auf Büchners „Dat. :3ns Tod “ hin. Dessen puritanisch-libertäre Dialektik im Kampf Dantons gegen Robespierre ist auch ihm eine Folie (neben ande- ren literarischen Anspie1ungen/ um den grundsätzlichen Konf!ikt h den sich eine moslemische Kultur mit einer Modernisierung der wissen- schaftlich-technischen Zivilisation ver- wickelt, allegorisch darzustellen: Paki- st.a,p als Modell (auch für Iran). a btnd nicht jene erstaunlicnen Cjrrer5ondenzen, welcjae den aufklä- n risch-w tbürgerlicben Romancier aus Indier mit der deu) chsprachigen Kultur in Berührung :igen, die ihn so aufschlußreich machen könn- j‘; vielmehr hat er bereits in „Scha m 4 Schande“ den Fokus seiner hu- fnL. itären Kritik auf den islamischen Fundamentahisi jns.eingestellt, den ja Zia ul-Haq -zw Staatsreligion von Zucht & Ordntp nach islamischem Recht gemacht bevor Khomeiny in lran die Macht er,greifen konnte. 1 !loferr acheinaa die „Satanischen Verse“ dort, wo sie sich mit 4 i Glau bensfundamenten des Islam t chäfti- en, auf breiterer Basis for?usetzen, t wa5 im Pakistaqi-Ronjpu 1 :egonnen nde diesmal interr- 3lickwink auch der islamische 0 mmigranter des ehemaligen Comt: :wealth. Daß der Romancier, der in seiner jetzigen Heimat Großbritannien in zahlreichen antirassistischen Komitees mitarbei- tate, nun gerade von den Islamischen Fundamentahisten auf den Tod ver (pigt wird: Øen das zeigt an, wie aus: 1 peglos urn axplosiv die welt.kulturpo tlsche Situation geworden st Es ge- ört zu den erstaunlichste,- Zeugnis- ent seismographiseher Empfindlich: kei. und prognostischer Qualität gro , 1 1er Literatur, die zeitgenössisch iz (wie eben die Salman Rushdies).‘ schon vorweg maginiert zu haben, was nun grell !Luf die Tagesordnung ge) ommen Ist, - )b; van? und 1 wiE ms die ‚$atani scben Verse“ aw deutsch vor Augen kommen — wir könnten uns jetzt schon ein Bild machen von dem be kanntesten Romancier des Augen- blicks (und damit von seiner geistigen, literarischen, politischen Physiogno- mie), wenn wir das uns bereits vorlie- gende großartige Oeuvre nachläsen. WOLFRAM SCHÜTTE AA0001 25