Aadel Collection
The cursed Republic of god
Ausland IRAN Der verfluchte Gottesstaat Dem konservativen Klerus läuft die Jugend weg, Reformerfewinnen an Boden. Die Angst vor dem Krieg im Nachbarland Afghanistan zwingt zur Standortbestimmung: Soll sich Teheran mit dem „Großen Satan“ USA versöhnen — und die Religion zur Privatsache erklären? Von Erich Follath Revolutionstührer Chomelni, Chamenei auf einem Wahiplakat in Tehe,an: »Herrschaft Gottes“ DER SPIEGEL 44/2001 T rauer muss sie tragen, die heilige Stadt Maschhad. Trauer ist ihr Daseins- zweck, ihr Lebenselixier, ihre Passion. Trauer und ein religiöser Opfertod bestizn- men seit Jahrhunderten den Rhythmus die- ses Wailfahrtsortes, prägen seine Geschicke, seine Geschäfte, seine Gespräche. Doch in diesen Tagen diskutieren die Menschen in der nordostiranischen Vier- millionenstadt neue, ganz und gar weltliche Themen. Sie reden sich die Köpfe heiß über eine Serie von 19 Prostituierten-Mor- den, allesamt begangen in der Nähe des heiligen Bezirks. Und über den Krieg im nur 200 Kilometer entfernten Afghanistan mit seinen drohenden Flüchtlingsströnien. Einer der berühmtesten Märtyrer des schiitischen Islam liegt in Maschhad be- graben: der achte Imam Resa, ein direkter Nachfahre des Propheten. Im Jahr 818 sol- len ihn politische Gegner vergiftet haben, weil der Kalif Mamun ihn zu seinem Nach- folger bestimmt hatte. Mehrere Millionen Pilger strömen jedes Jahr in das gold- glitzernde Mausoleum, werfen sich vom Schmerz überwältigt in den Staub vor der prächtigen Gohar-Schad-Moschee, geißeln sich beim Muharram-Fest selbst mit Mes- sern und Peitschen, bis das Blut über ihren Rucken spritzt. Nichts hat sich in die Psyche streng- gläubiger Iraner so eingebrannt wie die Idee des Martyriums, das man um des Glaubens willen auf sich nimmt. Nichts liegt ihnen so nahe wie die Vorstellung, die Welt könnte sich gegen sie vecschworen haben. Wäre es also nicht denkbar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den AA000234 darf nicht mehr Qualität erwarten. Besuchen Sie uns: www.eizo.de Wer an jeder Ecke spart, Jl 1 ki Modsb.wusste Iranerinnen Subversiv gegen die Sittenwächter r . . 8 1. 1 Sehen Sie es so: Wer sich für einen EIZO entscheidet, bekommt High-End-Technologie für die Augen. Wer sich dagegen für einen herkömmlichen BikJschirm entscheidet, dem wird die EIZO-High- End-Qualität bald an jeder Ecke fehlen. Auch bei Dauereinsätzen (z. B. in Call-Centem) von vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr macht sich die EIZO-Qualltät bezahtt. Denn gerade plötzliche Arbeltsausfätle kosten Geld. Darum EIZO. High-End ohne Kom- promisse. EIZO: Gut so! —4
Aus land unheimlich Rreignissen in UW ihre ent TY Lunu • 3ta — em ftne - .j rrustiU iert zwischen d FIüchtp4R? Li- 1 ‚& -MoTden de iür chlä • - ! rst ge$em st. mten gerthu s er ReJigio spo1izei ip n $ Ladj ‘ten schlagnahniten he in Gemhse und • g• wir Leipj aui Afghanista n seien hier iact mehr e rünscht“, erzählt zitternd ciii alter Marn . “ rj .4an{1 ,riefqt p oØi den er- mordetei au J 5 tQ} 1 1 r die cht&Y?1: Sje kärj %)a nAhth r »L, lingsin. - -nu c udere £.U • Händler erzahlen von Drohungen und handfesten Schikanen. Jederzt it könne ibri ufenthaltsgenehm 1g ing für üngültig erklärt werden. Wer auch nu t den Versuch macht, Verwandt& aus Afghanistan hach- zuholen, wetde abgeschoben — hi jiüber nach Herat, hinein in d&i Krieg. Dass dJ i fltuierten wirklich aus dem afghan ,f u ieu st nmen, ist mehr als in rs chüngen ergabS. dass vie eiTr i lange als drogensüchtig &f isst waren. c1 fungen hatten etwas von ei- nem ku li .RituäL D sate seine , J r mit Frauen, drap e sie b 1t ( kt kura.aivi. ii i ihren Tschador — als wo l 3 er duith sei- nen Umgang mit der „heiligen“ Kleidung eine beschwörende Aussage machen .,‚Spinneqnorde“ nannte die erstaunlich offen beW tende Presse die Taten: Die rn.‘auef Chatam ‘: L 1 ‚jte Versohnung ener Prostituierten. gtng 1 n Wurger, wie von einer unwiderstehlichen Kraft angezogen, scheinbar willenlos in Netz Als Schuldigen stellten die Behorden schließlich einen geistesgestorten Bauar 1 beiter vor — doch kaum einer in Maschhad n ag an die Theone vom irren glauben Die Mordsene wirkt mit r wen Planung und Auswahl der Oprer wic flul kldzug, wie das Werk politisch ein Moralisten Und die Taten stie i ch keinesfalls nur auf Abs c heu. aeL,j i an den Stäb brethen über die- i‘ 4e j Krankheiten. ausrotten, oder hr‘ frenigen, dae JJ nkheiteri aus- » z agte „Dschu JMaIm‘ 4 J eine deij 5 . .tungen, die der-, id. crva Iiven Gi cnkeit nahe tehen. Or m ächte zwi- Am 24. Oktober in Teheran. DEF SP % II EL 44/ iD o l leZt .. ..‘.. esi •Gone sihcn c n nLen kiar, daj i. 1% kaat Iran einheimis c he ‚ostif ierte ja P ht g b n könne. 5 . ?th&1r nicht in der heiligäten Stadt s s, dem „Grabplatz 4 s Märtyrers ‘ , had se t Die Menschen von.MaschBed rt 1flefl u - s ürerLjass da etwas rohlichqs 5 Mier korn 1 t, ein Front sich- auf sie zU- re Dw ‘;timmung schwankt zwis hen n iiid und aggressiv; sowohl bd den Jungen, die sich zum Fast Food im „Fried chicl u Pizza“ {re e 4e bei den Alte- rei , die es zu Was - r ite ins traditi ? neUe ‚jiesardestan . eehaus zieht. 0 größten Sorgen abei na hk man sich im Viertel Golschahr. Dort leben di meisten •1 1 1. dpeit, t lie d Prozentj der afgnani- t Bevöl kerung ausmacb wur T9yrarls Flüchdtngspol t 1 . von derckli bis vor aS- drt i gelobt. Zwa& 1 n Afgha- nen keinen Pass und, ¶er laMe zahl auch keine offlzielie Arbeits ubnis, aber Schwarzarbeit wurde - eiq. Auge ‚y drückt; der Zuzug von Parhilien lang... g duldet. 1. . 1. ‘ - 1 - .joisciia lj luchthngshochburg 1 hr ist h‘aa 50 J er Beziehung dem Malten“ Masch- Änteb r voraus: Die Hilfsorganisation eine kl&- .e lChflilStioii leh yteilt “ei‘ inen Ver- e inten N manziei i ( Kinder- (Z.B. Wärm . sein oder auch die Nutzung nicht nur dit :nergien. Davon profitieren dann freunde. sond r 1ft& MPCuM!!WÄV eWY Nap ,- ‚ l ii In riiw IL .•H . fürK .. ‚ . . . garten . ComP s ! seui und geben den Älteren pu erkurse 1 . Jet4 aberhatsich lran weitgehend ät geschortet — spfem sict eine 9 00 Ittloryeter lange Grenze n größtenteils bergigem üst hgd dd6 überhaupt dkhtmachen S Jetzt schlagt die Stunde der Denun iten, die von ‚Auslandeniutten tabu 1 lieren kegierungssteUen k Teheran aller dings halten sich zuruck Irans Fuhrung ist ui einer schizophrenen Situatioq fureh tet weg n 4er wirtschafUich eit po je qnd d r. höhen Arbeitslösi( q j ingil überqueflenden Städten 1ie /er sd iale: - massen - die konnten zu. eI - . ‘ . Explosion führtu Tefieräri i ihrere?ste kfMJ bankesqruppe F 1 .t . ,_L ‘ 1 t J gLtt. G b ‘ :hzeitig ab t iii N1 Status quo. . « r wi es ändern. . ‘. . ‚ ‚ R K hans Regierung bekämpft 4 e ime in ‚ al W 1 ‘ Unterstützt die oppösit ‘en ?t l1!nz mit Waffen (besonder S B - un- mad Khan. der in Masthhad ‘ terhält). Undsrtirzt.soins nächste Sie Schulter ter mit d .. ...olugischen ErzL. 0 d im West n l R ( iroßen Satan “ USA.. Ftüh( p Wash jngtonhatten die dass die ‚ 1 kbefre iben - . “ -, . . . -- .4 1 - f Q iIt .hatpn .i ). Ein Madcnen er ndergarteh könnte voi den ihle ii Aber die Kleine mjt den s . . ‘41 1 -. •i•• .. weite te d una cen vor ScFirecken gt • - ‚ !i Augen. spricht qicht. Schon über drei jahre nicht mehi . Si t zc ichnet st attdessFn Bdne, Arme, Köpfe, die kärperlos durch die Luft ffieg n “ / or 4miz as A i gen wur- den ihr /Cater j Onkel und ihre Neffen zeiStücktlt“. 1 erl die Betreuerin. „Alle sind Ausländernutten 9 — iranische Prostituierte darf es nicht geben E: . ‘ . . . . . :- • trif: ie •tis : t 1998 in Masar-i-Sph .h t 5 / fl Ui ‚ ii Taliban dchteten , ( ‚ er Er- obening de( Stadt ein Bhitl ar . vor al- lem unter den verhässten sähiitiscbeni Ha- zara. Uber 2000 Mönscheil sollen bei deift Massaker urngekomnien sein. Männer wur i ItR : an der Zung j i , Frauen hei t idig n i LC L c t & ds - . iiterden To- re l waren au IJJ &r} ar 9Lje Diplomaten. Pie empörte iI . ..n .....ie Fub n fl schon die Generahnouilmachu ‚ de rdnet. 200 OQO Soldiiten zogen ar f i afgbani: chen $renze auf eine Una Delegatio n verhinderte im letzten Moment einen Kriegsausbruch. . -. . Als der Bü enneiste -yön Teheranjetzt leich iiacb dem Twiii-Tower-Terror an ii4 September seinem Nöw York& Aihts- ko l legen ein B lleidssvhr iben schickte, als Präsident Mohamnned Chatami, s8, die ; ‚b rb &ische Taft‘ scharf vebrteilte, wit- ;ert n manche schon eine Aussöhnung zwi- ebeii Iran und den l iSA. Doch so weit ist es noch lang nicht. Ai.ieh die Reform- rä4te verurtft $h ‘ d ele ? rikanisclien Bombenan nmi i T. Øeutsche Au bei in. T - kz pt bep: yn 1n hin! 4‘bie iDi L r w . eh seinsF Udterstützung dss « r.bsiion avCt e!ierenden suerriIl h ; 1 uer Liste der „? iiur- « ? .nsta t Ili - - - ‚ SeRL $t ein ‘ lüi _ineterweiie Annäher mochte Teheidn nicht bestätigen. Was ton hattq gegen die usicherun& den i i n ischen Luftraum nicht zu verLet .en, er- reicht, däss US-Pilote bei einem mägli : i t Betr iun9 o Ke Wort DER SPIEGE L 1. 4 3 /2 00 1 101 der rund .; &i ;b afghanCLni Flüchtlinge von Masdhhad. Es ist Mne Stadt am Randc der S dt , ähnlich zwai‘, aber kein Slum. „Wp: siqd ruft unsere‘i franischen Brü- dein lange ganz gi j ausgekommen, jetzt aber ist PaI}jl a chen“ , sagt der vor zehn Jahre id er ers t geflohene Hossein. Sein Freun ‘ . t vor wemgen MQR8: ten aus axhian geflüchtete Gewürt 1 isten 1er Hodajar, estätig das. Wie:die l .iit che rt •üb i zwei Millionen afghani . nen . ‘khdinge in hart fanden sie sich sch i I I . urecht u nd, mussten nicht in e i - Auf- tangl gpL , . , . ‘;ie jrechen Farsi und sind Schi ite j , .... ihre Gastgebet . Sie gehören zur Vo gruppe der Hazara, einer Mm- .4 die ‘ “? ) -_y , _ ,- ,_ . , ‚ . .“. 4 ; ‘ . — / ‘ ‘ V . % . - - .- . - — .- -- — —- — -- . — - “ : “ 1. i6o : ‘o, . ; . ‘ r —_ — — 1 7 ir 1 ( 1 W gehöft jetzt die Entwicklungsbank DEG. Gemeinsam bilden wir die KfW-Bankengruppe - 1 --n Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft. Die KfW. Deutschlands große Förderbank. ist all«— ¶ m i der größten Finanziers von privatem Wohneigentum. Wobei sie in erster Linie in iie Bauvorha ben unterstützt. Das können Maßnahmen zur CO 3 -Minder j ! k
1 darüber in Iran. Stattdessen druckte die erzkonservative Zeitung „Tehran l imes“ auf der Titelseite eine Bildleiste mit den „drei größten Terroristen“: George W. Bush, Tony BiS, Met Sharon. r7wei Schritte vor, einen zurück — und tnnanchmal auch umgekehrt. So be- schreiben iranische Reformer die Politik hres Landes. Das Erstaunliche: Sie lassen sich nicht entmutigen. Besonders nicht in der Hauptstadt Teheran, dem ewig smog- geplagten Zehn-Millionen-Moloch. Die Islamische Republik hat das viel- leicht merkwürdigste Regierungssystem der Welt. Ajatollah Ruhollah Chomeini hat es nach dem Sieg über den Schah 1979 ins Leben gerufen und auf sich selbst zugeschnitten. Sein Herzstück ist die „Welajat-e Sakih“, die „Herrschaft des Wgöttlichen Rechtsgelehrten“. Dieser Revolutionsführer kontrolliert Justiz, Geheim- dienst, Armee; außerdem die milliardenschweren, ei- nen Großteil der Wirtschaft verwaltenden Stiftungen so- wie den „Wächterrat“, der alle Wahlen beaufsichtigt und die Verfassungstreue der Kandidaten überprüft. Seit Chomeinis Tod 1989 heißt der Mann mit diesen weit reichenden Machtbe- fugnissen Ah Chamenei, 61 - wie sein Vorgänger ein fundamentalistischer Theokrat, dem west- Sche Demokratien verhasst sind. Parallel zum Gottesstaatlichen existie- ren parlamentarische Institutionen. Das Volk wählt seine Abgeordneten, die be- stimmen die Regierung. Doch der Spiel- raum des Präsidenten ist gering — auch 162 wenn er mit so über- ! wältigendem Erfolg (1997: 69 Prozent, 2ooi: 77 Prozent) ge- wählt und wiedergewält wird wie der libe- nie Cliatami. Er gleicht in seinen Aktionen eher einem Oppositionsführer denn einem Regienmgschef — zwangsweise im Wider- spruch zu einem System, das den Volks- willen zu vergewaltigen droht, weil es sei- ne ganze Autorität von Gott herleitet. Veränderungen müssen sich zuerst in der Gesellschaft durchsetzen, um sie in der Politik unumkehrbar zu machen. Damit die beharrenden religiösen Kräfte nicht jeden Fortschritt blockieren, muss Chatami auf den Mut kritischer Journalisten und mutiger Professoren sowie auf den Druck der Straße setzen. Und auf die - im Schiitentum so gepriesene und weit verbreitete - Op- ferbereitschaft. An tollküh- nen Mitstreitern herrscht kein Mangel. Da ist etwa der Satiriker Ebrahim Nabawi, 43, der im Jahr 2000 wegen „Umtrieben gegen die Staats- gewalt“ wieder einmal drei Monate im Gefängnis saß, fünf Monate Bewährung ste- hen noch aus. Ein iranischer Till Eulenspiegel mit ver- schmitztem Lächeln, seinen Verfolgern immer einen Witz voraus. „Knast bildet“, sagt er. „Hab dort mehr gelernt als während meines Soziolo- giestudiums.“ Gerade hat er einen Aufsatz veröffentlicht, der „belegt“, warum seine Landsleute nicht für das At- tentat von New York verantwortlich sein können: „Mehr als ein Dutzend Iraner, die pünktlich zu einem Termin am Flughafen kommen — ausgeschlossen. Außerdem wären sie nach Hawaii geflogen.“ DER SP IEGEL 44/2001 Vizeprisidendn Ebtekar „Wir waren naiv“ Der investigative Autor Abbas Abdi, der Stadtverordnete Ebrahim Asgharsade, der Präsidentenbruder Ren Chatami, der — nach einem Attentat religiöser mtras an einen Rollstuhl gefesselte — ehemalige Ge- heimdienstvize Said Hadscharian: Sie alle zählen zu den prominenten liberalen Re- formern, die mit ihrer unverblümten Kritik den Zorn der Kleriker riskieren und immer mit eineinhalb Beinen im Gefängnis ste- hen. Aber noch etwas verbindet die vier. Sie sind die Revolutionäre von einst. Sie gehörten 1979 in Teheran zu den Beset- z orn der US-Botschaft, die 444 Tage lang mehr als 50 Amerikaner in ihrer Gewalt hielten. Die Geiselnehmer hatten einejunge Studentin in ihrer Mitte, die ihre gemeinsame Sache gegenüber der Außen- welt vertrat und die westli- chen Medien durch ihr gutes Aussehen, ihre Eloquenz und ihre feurig-revolutionären Reden besonders faszinierte. „Mary“ nannte sie sich. „Mary“ alias Massumeh Eb- tekar, 40, ist heute Vizepräsidentin Irans, besonderer Schwerpunkt Umweltschutz. Auch diese Geiselnehmerin zählt sich heu- te zur Reformbewegung. Ganz in schwarzes Tuch gehüllt, die Au- genbrauen nachgezogen, die Stimme sanft, aber ausdrucksvoll: eine Idealbesetzung der Maria für die Oberainmergauer Pas- sionsspiele. Und immer noch kämpferisch. Ebtekar macht gegenüber dem SPIEGEL nicht auf reuige Sünderin. „Wir Studenten hatten nach dem Sieg der Revolution den begründeten Verdacht, dass die CIA einen Putsch in Iran plante, wie schon 1953 gegen (den demokratisch gewählten linken Prä- sidenten) Mossadegh“, sagt sie. „Dem ver- suchten wir mit einer spektakulären Ah- „Mary“ macht Karriere — von der Geiselnehmerin zur Vizepräsidentin Irans tion zuvorzukommen - das bedeutete, zu- gegeben, auch Freiheitsberaubung.“ Nur ein paar Tage wollten sie „das Spio- nagenest“ (den Ausdruck benutzt sie noch heute) besetzt halten, „tief in unserem In- nern waren wir überzeugt, dass Gott auf unserer Seite stand, und wir waren auch bereit, den MärtyrertOd zu sterben“. Eb- tekar hat in den Jahren danach erkannt, dass ein Teil des klerikalen Establishznents die Aktion zu seinen scharimacherischen Zwecken nutzte. „Wir waren naiv. Und doch denke ich, war nicht alles vergebens; Es gibt eben Abschnitte in der Geschichte jeder Nation, in denen sie ihre Identität und Würde wiedergewinnen muss.“ Ebtekar bestand nach dem Ende der Geiselnahme ihr Examen, heiratete einen ihrer studentischen Mitstreiter, brachte r zwei Kinder zur Welt. Sie arbeitete als Im- munologin, engagierte sich im Umwelt- schutz und begann an der Seite Chatamis gegen die Ewiggestrigen zu kämpfen. Heu- te kann sie sich eine Versöhnung mit den USA vorstellen, „aber nur als Partnerschaft unter Gleichberechtigten“. Und sie glaubt fest daran, dass ein „Dialog der Kulturen“ die Menschen im Westen von der Schön- heit und kämpferischenPriedfertigkeit des Islam überzeugen könnte. Sie ist 1997 als erste Frau Kabinettsmit- glied geworden, nun hat sie eine Kollegin in der Ministerrunde. Iranerinnen feiern auf allen Ebenen stolze Erfolge: Fast die Hälfte der Studentenschaft ist jetzt weib- lich, ein Drittel des Lehrpersonais. Frauen drehen Pihne, gründen Zeitungen, über- nehmen Finnen - das entspricht nicht dem westlichen Bild der islamischen Welt. Und doch gibt es auch in Sachen iranischer Hinter den Mauern treffen sich die jungen Reichen zu Drogenpartys und Sex Emanzipation bizarre Widersprüche. Die Aussage einer Frau vor Gericht zählt nur halb so viel wie die eines Mannes, in der Öffentlichkeit singen darf sie nicht und für das Verlassen ihres Landes braucht sie die schriftliche Einwilligung ihres Gatten. Schizophrenie überall. Soll man es für einen Erfolg der Reformer halten, dass ihre Recherchen und Enthüllungen zu einer Mordserie an fünf lntellektuellen 1999 den tL Geheimdienstminister zum Rücktritt ge- JE zwungen haben — oder ist der größere 1‘ Skandal, dass fanatische, von Radikailde- t, rikern angestiftete Agenten diese Taten überhaupt auszuführen wagten? Ist es ein Fortschritt, dass heute wieder eine sys- : temkritische Zeitung wie „Nowrus“ er- 1 : scheinen kann — oder wiegt das Verbot j: von zwei Dutzend reformorientierter Blät- ter im Frühjahr 2000 schwerer? Als letzte t Schikane haben die Religiösen im Sep- 1 tember die Verhaftung von 30 Parlamen- tariern angeordnet, wegen aufwiegelnder t. Reden in der Volksvertretung. Diesmal f• protestierte selbst der sonst so vorsichtige Chatami vehement und verwies auf deren Immunität. . Die Revolutionäre von einst wie Ebtekar 4 ; und Abdi warnen heute die ungeduldigen 1 Studenten vor gar zu großem Wagemut, T mahnen zur Besonnenheit. Sie fürchten ein Blutvergießen und zitieren den Koran: ; „Gott ist mit den Geduldigen.“ Sie glau- . ben, wie ihr Idol Chatami, an den gradu- eilen Wandel. Doch möglicherweise ist es dafür schon zu spät. „Wir sind diesen Muff . unter den Kleriker-Rohen so satt“, sagt ein - militanter Student beim Geheimtreff. „Wenn die Mullahs nicht freiwillig gehen, müssen wir sie eben gewaltsam wegfegen und mit ihnen diesen ganzen verfluchten Gottesstaat.“ A i i s a I i d Die Mehrheit der jungen Iraner unter- gräbt das System, indem sie seine Vor- schriften nicht mehr ernst nehmen. Satel- litenschüsseln, obwohl offiziell verboten, tauchen übera l l auf (und werden schnell abmontiert, wenn die Religionspolizei kon- trollierQ. Bei den Partys im reichen Norden Teherans trifft sich die Jeunesse dor6e hin- t or hoben Mauern zu Whisky Drogen und schnellem Sex. In den Parks provozieren die Mittelklasse-Jugendlichen die Sitten- wächter mit subversivem Händchenhalten. Die jungen Damen überlegen immer neue Varianten, wie sich das Kleiderdiktat aufweichen lässt. Die Kopftücher werden immer bunter und kürzer getragen, die Tschadore mit Schulterpolstern aufge- peppt. Und wohl nirgendwo auf der Welt schminken sich Frauen so sorgfältig und so aufreizend. Der letzte Schrei, um Männer anzulocken: ein „Nose Job“, die Nasen- operation durch den Schönheitschirurgen auf Ilollywood-Ideahnaß. Die Revolution der Ajatollahs richtet sich selbst: durch ihren Kindersegen. Chomeini hatte nach der Gründung des Gottesstaates die Parole ausgegeben, so viele Kinder wie möglich in die Welt zu setzen. Im Krieg ge- gen den Irak — 1980 von Bagdad begonnen, dann von Teheran in die Länge gezogen - verheizte er dann vieleJugendliche, die mit dem „Plastikschlüssel zum Paradies“ um den Hals als „Märtyrer“ an die Front und in die Minenfelder geschickt werden acht Jah- DER SPIEGEL 44 12001 L*t rT das Private zurückzuerobern, wird diese Ju- gend politisch. Und selbst dergrößte Erfolg des Gottesstaates schlägt auf ihn zurück: Die Jungen sind gut ausgebildet und da durch viel weltoffener als ihre klerikalen Lehrer. Mehr als 8 0 Prozent aller Iraner können heute lesen und schreiben, unter dem Schah-Regime waren es gerade mal 40 Prozent. „Grundregel Nummer eins auf Teherans Straßen: Niemals in einer Taxischlange mit einem Mullah anstellen“, sagt im Mclii- Park die junge Skaterin Parastu. „Da fah- ren nämlich alle vorbei.“ Mit kühnem Schwung dreht die i i-Jährige noch einige Kreise, schaut dabei verzweifelt herunter auf ihren Tschador. „Ich bin Eiskunstläu- fern und würde so gern an den nächsten Olympischen Spielen teilnehmen. Meinen Sie, bis dahin könnte es erlaubt sein, in ei- nem kurzen, sexy Dress aufzutreten?“ D ieses Land kennt keine sanften Über- gänge, nicht in der Politik, nicht in der Natur. Gleich außerhalb Teherans beginnt die Wüste, feiner Sand dringt durch die Autofenster, knirscht bald in den Zähnen. Vorbei am Ajatollah-Chomeini-Mauso- leum Richtung Süden, in die i. o Kilome- ter entfernte heilige Stadt Ghom. Hier liegt Fateme begraben, die Schwester des Maschhad-Märtyrers Imam Resa. Hier lernte und predigte Chomeini, machte den Ort zur Wiege des Gottesstaates. Imnw STAN Maschhaci. : : ‚ uTe lAu .Ghom . Isfahan SAU D I - ARABIEN 4 STØ . . R iad „ — Bnittoinlands-• produkt pro Kopf: 5530 Dollar •: um Wrgjeich Deutsch land: 24 900 Do llar Ilauptexportgüter ‚ 82,5% .L ] !k [ ! : re lang ging das Gemetzel, rund eine halbe Million Menschen verloren ihr Leben. Aber die Geburtenrate stieg weiter und die Be- völlcensngszalilen explodierten. Heute muss Iran mehr als 62 Millionen Menschen ernähren, zwei Drittel sind jünger als 25 Jahre. Sie suchen Jobs, sie träumen von per- sönlichen Freiheiten. Allein schon um sich noch gilt Ghom als Hort der Erzkonserva- tiven. Und amerikanische Geheimdienst- leute glauben, dass mehrere Terrorisi die auf ihrer Liste der Meistgesuchten hen, hier untergetaucht sind. Chomeini überall, überlebensgroß. Auf Plakaten und an Hauswänden, oft zusam- men mit Chamenei — als müsste der heu-
•1 tige religiöse Führer des Landes sich aurch diese Nähe zusätzliche Legitimation si- chern. Nachts werden die Poster bestrahlt. ie Geistlichkeit will zeigen, wie modern je jst im Jahr 1380 (berechnet nach der Hidschra, dem Auszug des Propheten von Mekka nach Medina, aber anders als in der arabischen Welt, wo es bereits 1422 ist). Besonders das Islamische Zen- trum nahe der berühmten Feisije-Medres- se beweist, dass Ghom mit der Zeit geht. „Man nennt mich den Computer-Aja- tollah“, sagt stolz am Empfang der Geist- liche Korani. Er hat eine Software entwickelt, die dem Gläubigen alle Fragen beantworten hilft: „Testen Sie, Sie können Eingaben machen nach Fersonennamen oder Begriffen.“ Je- sus Christus (im Koran als Issa bekannt und als einer der Propheten geschätzt): 5901 Treffer auf dem Bildschirm. Dschi- had, oft übersetzt als „Heiliger Krieg“: . 4020 Treffer. Und wie wär‘s mit Osama Bin Laden und al-Qaida? Ohne eine Miene zu verziehen, tippt der Computer-Ajatollah in die Tasten. Zwei Dutzend religiöse Fund- stellen. „Wir haben viele saudi-arabische Connections“, erklärt der Theologe. Nur nach dem Großajatollah Hossein Ah Montaseri, 78, mag er nicht schauen — anders als jeder Terrorist ist er ein Tabu in Ghom. Der gemäßigte Gegenspieler Cha- meneis, ihm in seinem religiösen Status mindest gleichwertig, steht hier in Ghom eit Jahren unter Hausarrest. Monta- sen verurteilt die „mit dem Knüppel agie- rende und auf Raub beruhende Herrschaft der Rechtsgelehrten“. Montaseri ist für die Männer um Chamenei zu gefähr- Dcl i, als dass sie ihn freilassen könnten; doch zu einflussreich, als dass sie wagen würden, ihm Gewalt anzutun. Sein Lehr- _____ istitut haben islamistische Schläger ver- üstet, viele seiner Anhänger sitzen im Gefängnis. Aber selbst in Ghom gibt es jetzt Dis- sidenten. Als sich Religionsstudent Ah im Hause eines Freundes sicher fühlt, er- Ausland zählt er Ungeheuerliches. Hodschatolislani Schabestari predige offen darüber, dass man das Verhältnis von Staat und Glau- ben neu bewerten müsse: Der wahre Is- lam dürfe nicht aufgezwungen sein und könnte als Privatangelegenheit verstanden werden. Auch der Philosoph Abdolkarim So- rusch, der sich für den Säkularismus aus- spricht, werde in Studentenkreisen lebhaft diskutiert — ein islamischer Martin Luther hält Einzug, ausgerechnet in Ghom. Und offensichtlich mit Erfolg. Die Mehrzahl der Seminaristen hat sich bei den Wahlen für die Kandidaten des Präsidenten Chatami entschieden, nicht für die in der Hochschule empfohlene Kleriker-Fraktion. Und so mancher Mullah beginnt sich in die Richtung der Reformer zu ori- entieren, eher aus Opportunismus denn aus Überzeugung. „Sie finden seltsame Konverti- ten in dieser Stadt“, sagt Ali und zeigt den Weg zum Haus des Aja- tollah Sadegh Chalchali. „Und sei- ne ist die merkwürdigste Karriere von allen.“ Nicht weit von einer Metzgerei in einer schönen Wohngegend ein Eckhaus mit Blumen im Vorgarten und bunten Kacheln an den Wän- den. So adrett also lebt der Mann, der lange Zeit gefürchteter war als alle anderen in diesem Land, dessen Fe- derstrich den Tod bedeutete: der Blutrich- ter der islamischen Revolution, der irani- sche Robespierre. Von Anfang 1979 bis Ende 1980 schickte Chalchali Tausende in den Tod. Manchmal dauerten die Gerichtsverhandlungen fünf Minuten, manchmal gab es gar keine. Zu seinen Opfern zählten der langjährige Premier des Schabs, Schergen des Geheimdiensts, kleine Beamte des früheren Regimes. Überhaupt „Un- gläubige“ aller Art: 14-jährige Jungs, die sich einen Scherz über den Reli- gionsfübrer erlaubt haften, Drogen- abhängige, Homosexuelle. Chalcha- li verurteilte sie wie im Rausch, als bezahlte ilm ein Höherer für jeden Tropfen vergossenen Bluts, und für jeden Liter ein Sonderbonus. Er brüstete sich damals gegenüber Jour- nallsten offen seiner Taten. Heute mag Chalchah, 75, keine Interviews mehr geben. Er schlurft durch seinen Garten, ein gebrechli- cher, glatzköpfiger Gnom, gezeich- net vom nahenden Tod. Schon vor Jahren haben ihm die Ärzte einen dreifachen Bypass gelegt, doch jetzt will das Herz gar nicht mehr mit- spielen: Die Blutzufuhr stockt, sa- gen die Mediziner, die erjeden Don- nerstag in Teheran aufsucht und die ihn am liebsten ins Krankenhaus überweisen würden. Aber das lässt Chalchali nicht mit sich machen, er doch nicht, der Held, gnaden- los gegen andere wie gegen sich selbst. Und sagt: „Ich habe alles, was ich tat, im Auf- trag des Imam (Chomeini) getan.“ Keine Reue, wenn er bald vor seinem obersten Richter steht? „Ich bin überzeugt davon, Urans Robespierre möchte Reformer werden — aus „Respekt vor dem Gesetz“ positiv beurteilt zu werden - meine Urtei- le sind über alle Zweifel erhaben.“ Chalchali war im Dezember 1980 von Chomeini selbst wegen gar zu vieler Exe- kutionen aus dem Verkehr gezogen — und zum Verkehrsrichter degradiert worden. Später wurde er unter Hausarrest gestellt. Als ihn schon keiner mehr auf der Rech- nung hatte, trat der Blutrichter 1999 mit einem flammenden Appell filz die Libera- len an die Öffentlichkeit, deren „Toleranz und Respekt für das Gesetz“ ihm so sehr gefielen. Doch den Politikern um Präsident Chatami war die Unterstützung peinlich, sie gaben ihm keinen Platz auf der Kandi- datenliste fürs Parlament. Robespierre als Reformer - Chalchalis Kalkül ist nicht aufgegangen, und so ist er nun wohl endgültig abgemeldet. Auf die hoben Mauern vor seiner Villa sind Graffiti gezeichnet, in purpurrot. Re- former, die Revolutionäre anidagen? Re- volutionäre, die Reformer beschimpfen? Weder — noch. Die Botschaften sind Teil der neuen kleinen Freiheiten und Sehn- süchte, die wohl eines Tages den großen Entwurf vom Gottesstaat zum Einsturz bringen werden: „Willkommen im Inter- net-Caf “, heißt es da. Und: „Freut euch, Iran wird Fußball-Weltmeister.“ 1930 1979 2000 Erster Elektrobus Entwicklung erster Drittgröater Wasser- In Deutschland marktfähiger Solarzellen ve rsorger weltweit 1 ii HIng.rlchtste Dealer (2001): Gnadenlose Härte Blutrichter Chalchall (1980): Keine Spur von Reise - 1898 1906 Gründung von Energie aus RWE Wasserkraft Ideen bewegen www.rwe.com 01801/405060 RWE• 164 DER SPIEGEL 44/2001 Strom. Naturgas. Wasser. Entsorgung. Services. One Group. Multi Utilities.