Aadel Collection
The stand of a daughter
sprecher an den Hofmauern des Derwisch- Hauses übertrugen, hallend, knacksend, jedes Wort nach draußen. Im Hof stehen jetzt immer noch etwa 500 Besucher, und in den umliegenden Gassen drängen sich an die 4000 Men- schen. Jünglinge, Greise, Studenten sind darunter, Mütter und Zahnärzte, Köche und Taxifahrer, manche haben feuchte Au- gen, viele singen Lieder, in denen das Wort Asadi vorkommt, Freiheit. Batzen von flugblättern werden hochgeworfen, flat- tern zu Boden, die Leute bücken sich eilig danach, andere halten Fotos von Parastou Forouhars Eltern hoch. Das allein ist schon verboten, die Fotos sind alt, und auf der Nationalflagge im Hintergrund fehlt das Symbol der Islamischen Republik. Und Sprechchöre, immer wieder: Sendani-je sijasi asad bajad gardad! — Freiheit für die politischen Gefangenen! Auf den umliegenden Dächern stehen Männer, sie blicken durch Videokameras Oppositionelle Foroukar vor dem Bild Ihres Vaters: Museum des Mordes und sammeln Gesichter, es sind Mitarbei- - - - r des Geheimdienstes. - tzt mischen sich merkwürdige Män- r in die Menge, die meisten zu Fuß, man- che zu zweit auf einem Moped: Sie sind auffallend breitschultrig, sie haben grobe, unrasierte Gesichter und tragen Eisen- stangen und hölzerne Schlagstöcke unter ihren Armen, notdürftig getarnt durch Zei- tungspapier. Es sind Mitglieder der regime- treuen Ansar-e Hesbollah, der geheimen ei Gottes. Sie nennen sich der „spre- nde Koran“. Sie sind berüchtigt. Was gleich passieren wird, hat Parastou Forouhar in den vergangenen vier Jahren immer wieder herausgefordert. Weil sie Trauerfeiern veranstaltete, jedes Jahr eine. Weil sie in den Teheraner Tageszeitungen, sofern die noch nicht verboten waren, In- terviews gab. Weil sie den Mord zu dem machte, was er war: zum Politikum. Die Dämmerung bricht herein. Die Schmuckbeleuchtung auf der Hedajat- Straße springt an, Neonblumen, rot, grün, Y weiß, glimmen auf. Was gleich passieren wird, hat Parastou Forouhar in den vergangenen vier Jahren immer wieder befürchtet. Aber ihr Trotz war immer stärker als ihre Angst. Frühmorgens, vor der Trauerkund- gebung, war Parastou Forouhar auf dem piengroßmarkt, sie kaufte für mehr als )ollar Forsythien, weiße Nelken, rote schaffte eine Wagenladung Blumen in ihr Elternhaus. Sie schleppte Vasen, steckte Teelichter an, verteilte die Sträuße und kleinen Kerzen im ganzen Haus: Im Hof vor der verrosteten Hollywoodschau- kel, wo früher der Wagen ihres Vaters stand; im Salon, wo Fotos und Gemälde hängen; im Arbeitszimmer ihres Vaters, wo sein Armstuhl steht, in derselben Position, in der ihn vor vier Jahren die Mörder hin- terließen, Richtung Mekka. Darunter, auf dem Teppich, einem sehr alten, beige-roten Täbris, ist noch ein Blutfleck zu sehen, ein Stück Plexiglas bedeckt die Stelle. Der Gehstock ihres Vaters lehnt am Stuhl, der Knauf ist mit Silber ausgelegt, mit einer Meinen eingravierten Blüte. Zimmer für Zimmer, Blumenstrauß für Blumenstrauß schmückt die Tochter ihr El- ternhaus um, zu einem Museum des Mordes. Es ist ihr 13. Besuch seit dem Tod ihrer El- tern, aber ein besonderer. In dieser Woche hat sie nichts anderes getan, als von einem Amt zum nächsten zu laufen. Sie hat, wie so oft, Anträge gestellt, Formulare ausgefüllt, mit dem Polizeichef gesprochen, und sie hat es geschafft: Am Nachmittag darf eine öffentliche Trauerfeier im Haus der Derwi- sche stattfinden, und nun, am Vormittag, eine private Zeremonie im Elternhaus. Ständig summt die Gegensprechanlage. Ständig kommen neue Besucher in den Hof des Mordhauses. Parastou Forouhar schüttelt Hände, tauscht Küsse, Umar- mungen. Sie begrüßt Studenten, Professo- ren und Parteigenossen, alles Freunde und Anhänger ihrer Eltern, mehr als 70 Men- schen sitzen bald im Salon. Wegen des Fastenmonats Ramadan wird kein Tee Im Haus ihrer Eltern in Teheran. DER SPIEGEL 112003 gereicht, aber sie plaudern mit gedämpften Stimmen, erzählen von neuen Verhaftun- gen. Sechs Studenten. Aber drei von ihnen sollen wieder frei sein. Angeblich. Man- che Besucher schreiben, was sie sagen wol- len, lieber aufeinen Zettel, man weiß nicht, ob das Haus nicht doch verwanzt ist. Vier Jahre vorher, am 21. November 1998, hatte die Gegensprechanlage um kurz nach 21 Uhr gestimmt. Der Hausherr, Da- riusch Forouhar, 69 Jahre alt, fragte, was Los sei. Sie seien Polizisten, sagten die Leute, die vorm Tor standen. Sein Auto sei wohl in einen Unfall verwickelt, sie müssten es nach Beulen absuchen. Seine Tochter weiß das inzwischen aus den Ermittlungsakten. Dariusch Forouhar muss sich gewundert haben, sein Wagen stand unversehrt im Hof. Dennoch ließ er die beiden späten Gäs- te herein. Sie hatten Taschenlampen und leuchteten den Wagen ab. Forouhar merk- te nicht, dass einer der vermeintlichen Po- lizisten das Tor öffnete; nun schlüpften noch zehn weitere Mörder ins Haus. Sechs hielten draußen Wache. Forouhars Frau, neun Jahre jünger als er, lag zu diesem Zeitpunkt schon im Bett, fiebernd, hus- tend, sie hafte Grippe. Neben dem Bett lag ein Röhrchen mit Vitamintabletten. Die zwölf Männer trugen lange Messer, sie handelten im Namen Allahs, des Barm- herzigen, des Allmächtigen. Es war kurz nach Neumond. An diesem Abend saß Parastou Forou- har in Offenbach, wo sie damals lebte, der Fernseher lief, sie wartete auf den Anruf ih- 107 . RELIGION Aufstand einer Tochter In Iran streiten islamische Hardliner und Reformer um die Macht. Mitten in diesem Richtungskampf will eine in Frankfurt lebende Künstlerin den politischen Mord an ihren Eltern aufidären. Von Ralf Hoppe A m Nachmittag, als die Frau aus dem Haus der Derwische tritt, erschöpft, gehüllt in einen schwarzen Tscha- dor und eskortiert von zwei Dutzend wach- samen Männern, da weiß sie schon, dass es Schwierigkeiten geben wird. Sie ahnt aber nicht, dass sie gleich um ihr Leben laufen muss. Die Frau heißt Parastou Forouhar. Sie hat zwei Adressen. Die eine: Buchwald- straße 45, Frankfurt-Bornheim, im dritten Stock eines ruhigen Mietshauses. Dort sit- zen ihr Freund Thorsten und ihre zwei Söh- ne und machen sich Sorgen. Ihre zweite Adresse: Sadeh-Gasse 22. Die geht ab von der lauten, sechsapurigen Hedajat-Straße, es ist eine Kleine-Leute- egend, an der Ecke hat ein Schneider eine Werkstatt. In dem Haus mit der Nummer 22, einem der größten in der Nachbarschaft, ist Parastou Forouhar auf- gewachsen, als behütetes Kind eines An- walts und seiner Frau. In diesem Haus wur- 106 den ihre Eltern ermordet, vor vier Jahren, es war der Tag, der ihr Leben änderte. Und deshalb ist sie heute wieder hier, zurückgekehrt aus Deutschland, mitten in Teheran, Hauptstadt der Islamischen Re- publik Iran, mitten in einem heimlichen Bürgerkrieg. Etwa 400 Parteianhänger, Freunde ihrer toten Eltern und Regimegegner waren eben während der Trauerzeremonie im Derwisch-Haus. Vier Ansprachen wurden gehalten, dazwischen Gedichte vorgelesen, die Leute saßen auf Plastikstühlen unter den obligatorischen Riesenporträts der Re- ; volutionsführer Chomeini und Chamenei und blinzelten in die Kronleuchter. Die Reden waren ausdrucksvoll; Per- sisch, mit seinen tönenden Vokalen und schwingendem Singsang, ist eine Sprache der großen Gefühle. Manche Besucher be- nutzten ihre Handys wie Mikrofone, in rä- bris, Hamadan, Isfahan und anderen Städ- ten hörten viele Leute mit. Und die Laut- DER SPIEGEL 1/2003 AA000233
rer Eltern , h r beiden lief ‚ Ei1ier wird Kache!J pa ‘ das 1 ‚ » ‘ Ort 1 es nächt. - . ohh d .en. Elt rn nöch ei Ani ri&chste hr Vater im Armsessel seines Arbeitszim mer verblutet war an 12 Messerstichen iyi den Ha1 in Brust und Bauch Qer T ppicJj unter dem Armsessel waq olt esogen mi Blut und verknäult. Ma u tt( Jen schwe ten Stuhl so rdreht, ass das t esicht a s Toten zpr Wand zeigte; Richtung Der rot war ein ehemaLiger Mit? de Ajatollah Chomeini. ehemalir. b.eitsminister der Islamischen Repub c !raii, au erdem Parteichef c ! r ‚Hesb- Me llat-e Sb‘, einer Art in nis er SF1 ). Er hatt für die Islamische Revolution ge- käyM t, b1 zwi chen galt er i s iner dc? prtn err iii Regirpekritiker. . - 5.e tte sein Leben 4pn Priuizip gehab f niemals Angst zu ic Parvaneh Forouhai seine. •. ‘starb an 4 Messerstichen. Die Bettoecke war zer; fetzt und über ihr Gesicht gezogen, di( Vitämintabktfen schwammen im Blut. Per Mord an d n Forouhars *ar einer vo f l vielen Versüch n des Regimes, s ine Kntiker.einzu&chüthterri. Mi ; erfolg. Da: nach, d ie vergangenen vier Jahre herrsch te irii Irän eine bedrohliche Ruhe. Seit jener Nacht le,bt. Parastoti Pörouhar zwe i Leben. hi ,Teheran ist sie Anklä erin‘ Ii ) Deutschland ist sie Künstierin. in ihrer ersten He 4ämpft sie uht ‚Gere htig •- keit in ihr. :iten Heimat schaffl ie die ihrdie . . - Kunst die Kraft gibt, ihren Kampf durchzühahen. ‚ Parastoü Foroubar ist ein w mherziger Mensch, eigentlich_heiter. e ntl h 1u in S Gesellschaft .‘h L ilii ;a 4 ,9f lßh(Mal , wenn ;;di tei ‘ Ben ; verbot Verbannung ;n ci [ iher..den Mord an ihr(d m spricht die Provinz. - . : mrnen ihr die Träne », gtbtsie Studenten protestierten, sammeIt n sich Müh& nicht ii we y v nber sie hat terschnften, es kam zu Schlägereien skh a n dtese Anspann ‘. unter der sie de p 1 her äner C i inpus.Das Urteil wu; lebt, ewöhuit. Sie hat eine.. Weg getubden, p k t jjhtskräftig ti de Revisiontäa Trauer in Zähigkeit zü verwaik lelii ,. t : ecz m als väre.lran ein *echtC se Und n Poesie. In Bonn bem lte?c Iu as ab nach, i in Si ual für all e ur15W mit persischf 4 vrchHft . . • ien die um ihr.Recht kätnpMti. .. . )lik« id füllte den Raum i f libäll l e n hiLnct?p 1 „Nach 23 1 lahrbn 1slam scher Reptil besthriketen Tkchtennis ‚ n, beschi 1 sagt ein Chirürg, der an der Trauerfeier f ir ben mit Gedabken, Wünschen,, Träu nen, die Foroubars teilnimmt, „näch so vielen di ; tok-tpk, d urch de%Rj hkoJf r er . . ; 1 ar4en , B rufsv rbc iten. Verha tj p 11 j ! - i 1 8W5 WM ‘ -? ‘ ?e m ‘P h L gf ) f 0 i • . jeder hier eine offene Hellt . m“ cm an ‘ i : r i cnn « it n r os. gleichen; rriitemem MtilIa , lt je 1 1 id bei der Pol izei, der Justiz ‘ . . ‚ . . ‚ Den Geistti hen mit ihren ? Iruische Sinn für Geld (md Luxusq -g inge a ibtite besser denh je, unzählige Witze kursieren lp, Teheran über die Mercedes-Mullahs. Aber sie haben es vdstabden, auch and h x sdIschaft liche Gruppen bit Geld ii £1 u zu versorgen. Der basar zum sp:? -e traditionelle Kaste der H Ii3 sten roßtenteils hinter dem RegihiC . ie verarmten Famijien im Süden von Te- heran. die einen Märtyrer in ihrer Ver- wandßchaft vprweisen können — sie be- kdmmen von der Regierung rti il Geld, mal Lehen mittel . mal ei ne Wohnung. Vielleicht 20 Frozept der Iraner pmfi tieren yQrn System, unterst4tzen e , hätzt 4er Chfrurg. Die übrigen wünschen es sm TePffl. . ‚ ? . 1 ( 1 i:.ijt ci ii Treffen unter Tcheian m, deniyin :ht di tpi trauische Frage mi - . schv Auf.w khet Seite stehst du?,Die Irauter, vot al (en die t ier Mittel . und OhM : f - d - - • . - schich t , sind betont höflich und kultivit ti? Männer hi schwarze Schleier aber darunter vörber en sie Angst 1 sfetl e. i i Ok;ober dieses Jahres sollten Argwohn. Jeder Spieljilm, der gec t »e fj ier in der Gale?ie Golestan ezdgt ird ,jedes.Freitagsgebe , ‘4 N eitung, die wer . . ‘ ¼nier der wichti ten Teherarier vpboten wi d — alles s• • S ymbol ik Pi4 Rer Doch dann kam der Anruf au- u behorchf 1 b Ihr würdet es bereuen. . . ‚ . 1 niemand kann sich diesem sti l tc : Ausstellungserö friy jg fa nd am i i. entziehen. Auch nicht die Toten. Oktober statC sie war gi4 besucht ber an An diesem Freitag, wähi4nd Parastou ; i ei Wänden hingen nur leer& Ir‘ hflkeT1. Foröphar ihre Gäste begrütft und ein letz- ie Fotos hatte Parastou Foröuh tj g ge - tes Mäl die FlugbIättei sortiert, an diesem fJ l lossen, trot deni wurde seh er rstcn Feiertag, de itt islamischen Sonntäg, mobi- Te 2 ‘ 4 Hälfte aller Arbeiten verkauft. D ie lisiert auch die Ge ,genseite ihre ‘Ibten. ‚ .sieraner kaüfen Bilder, weil sie sie dicht Mehr als o ArmeerTieflader .siijd seit ;ehen dürfen. deni frühen Mo?gen durch die Stadt ge- - 1 • ‘7 l rochen. Sie rumpelteri über die Nach 23 Jahren Islamischer Republik EsIamboli-Avenü , fuhren die hat jeder eine Kecnnuv 9 ouen. t DL- h &cht -Avenu ntlang. die Fatemi Avenue bis zur Seht • - :- ‚ Enghelab, der, Straße der Revo- 4 im da war u spüren, dass sich cBe 1j j n. Ihr Ziel: dcr Haupteingang der ti Lniqng. im J nd geändert hatte, . raner Universität. lhr Fracht: 300 passierte etw s, was. PärastQu Forou- ) arge. . peue i.Mut itiachte: di Proteste g gpn Darin — angeh ich — die sterblichen Res- ‚Ja .)rteil für den Gescjiightspiufessor 1-1 a- uPhekannter Soldaten äns dem Irak- ;;eheni A hadschari. qer ha te kesa t, Men- die Revolution von 1979, der Sturz des amerikahörigen Schahs, eben auch ihr Kampf war. Ihr Vater hatte als Schah-Geg- ner oft genug im Gefängnis gesessen, sie hafte ihn als Kind manchmal besuchen dür- fen, an der Hand ihrer Mutter. Und wenn sie ihren Vater fragte, warum er nicht nach Hause dürfe, sagte er, er müsse leider hier bleiben, weil es um die Freiheit ginge. Forouhar war ein guter Bekannter Cho- nielnis. Und in seinem Haus in der Sadeh- Gasse 22 waren in den Monaten vor der Revolution fast täglich Mullahs zu Gast. Man besprach sich. Man war höflich. Man schmiedete ein Bündnis. Die Intellektuel- len und die Frommen. Und als der Schah fliehen musste, da tanzte Parastou Forouhar, damals gerade i6, tagelang auf der Straße. Ehre Freundin- nen und sie hatten flugblätter verteilt, de- monstriert, Wandzeitungen aufgehängt, obwohl es auch unterm Schah einen berüchtigten Geheimdienst gab, damals hieß er Savak. Umso größer die Enttäuschung, als Kle- rus und Basar nach geglückter Revolution das Bürgertum kaltstellten. Trotzdem bleibt von diesen euphorischen Tagen eine Erin- nerung: Man kann ein Regime stürzen. Es ist gefährlich, aber es geht Es ist kurz nach 16.30 Uhr, die öffent- liche Trauerfeier ist zu Ende. Parastou Forouhar und die Freunde ihrer Eltern ver- lassen das Haus der Derwische. Draußen, auf der Straße, drängen sich noch Tausen- de von Menschen. Zwei Dutzend Männer schirmen Parastou Forouhar ab, sie sollen sie durch das Gewühl sicher nach Hause bringen. Es könnte ein Triumphzug wer- den, es wird ein Desaster. Allahs Milizen schlagen zu. Die Männer von der Ansar-e Hesbollah reißen das Pack- und Zeitungspapier von ihren Eisenstangen und Schlagstöcken und beginnen, auf die Menge einzuschlagen, an 5, 10, 20 Stellen zugleich. Die Männer Gesellschaft sind in der Minderheit, vielleicht 300, 400 Kerle. Aber sie sind, in dem, was sie tun, trainierter. Eine Eisenstange, vielleicht zwei, drei Kilo schwer, etwa 70 Zentimeter lang: eine fürchterliche Waffe. Die Menschen werden panisch, Knochen brechen, alte Frauen stürzen zu Boden. Brillen ffiegen in den Straßenstaub, werden zertreten. Mütter schreien nach ihren Kin- dem, die irgendwo in diesem Chaos ver b- ren gingen. Manche der Schläger sind mit Mopeds gekommen, der Fahrer rast in die Menge, der Sozius drischt in das Knäuel der Schreienden, Wimmernden, Drän- geladen, Fliehenden, und ehe ein paar Be- herzte den Angreifer überwältigen kön- nen, ist der Schläger aufgesprungen und gibt sein Mopedlahrer Gas. Manche Knüp- pelgardisten jagen gezielt Einzelne, etwa Fotografen, im Labyrinth der Straßen ren- nen die Gehetzten unversehens in eine Sackgasse; wer hier erwischt wird, wird zusammengeschlagen. ie Mullahs haben sie gestohlen. “ Die Trauerzeremonie wird zum Teil des schwelenden Machtkampfes in Iran. Es ist ein Krieg der klerikalen Reformer gegen die klerikalen Machthaber. Ein Krieg der Bürgerlichen gegen die Mullahs. Der In- tellektuellen gegen den Basar. Der Stu- denten gegen die Parallelarmee der Pas- daran und ihr Hilfscorps, die Bassidsch. Täglich neue Fronten. Der Angriff auf die Trauergemeinde der Forouhars ist bestellt und gut vorbereitet. Um die Protestierer zu bestrafen? Um Angst zu verbreiten? Oder wollen die Hesbollah-Männer an Parastou Forouhar heran? Es scheint so Sieläuft um ihrLeben. Die Parteianhänger ihres Vaters bilden einen 110 DER SPIEGEL 1/2003 Kordon um sie, und so schafft sie es nach Hause, halb blind, ein Strahl von Tränen- gas hat sie getroffen, so nahe waren die Schläger an ihr dran. Ihr Freund Hossein Schahoweissi, ein Maschinenbau-Ingenieur aus Aachen, ein kräftiger Mann, aber schon Ende 50, blutet aus tiefen Kopfverletzun- gen, ein Schlagstock-Hieb hat seine Nase zertrümmert. Im letzten Moment hat er sich schützend über Parastou Forouhar ge- worfen. Das staatseigene Fernsehen versch die Hintergründe des Straßenkampfes, eine offizielle Bilanz der Verletzten gibt es nicht, es dürften Hunderte sein. Im Westen wird der stille Kampf in Iran wenig beachtet, er ist nicht medientaug- lich, diese Mullahs sehen alle gleich aus, kein Mensch kann sie unterscheiden. Wenn wenigstens der Schah-Sohn aus dem zurückkäme, die Rückkehr des Pri wäre eine Story, aber so? Der Aufruhr wird irgendwann zur Ruhe kommen und irgendwann wieder aufbre- chen. Die islamischen Macht- 1979, das war auch unsere Revolution — haber stecken in der Klemme: Sobald sie politische Freiheiten gewähren, wie es der relativ machtlose Präsident Khatami for- den, setzen sie eine Entwicklung in Gang, die sie nicht mehr beherrschen können. Und wenn sie die Freiheiten verweigern, erhöht sich der Druck. Sie kennen das Spiel, schließlich waren sie auch mal Revolutionä- re. So bleibt ihnen nur: Einschüchterung. Zwei Wochen nach der Trauerfeier will Parastou Forouhar nach Frankfurt fliegen; aber am Flughafen Mehrabad lässt man sie nicht durch, man nimmt ihr den Pass weg — erst nach zwei mürbenden Tagen darf sie ausreisen, eine letzte Warnung. Wird sie jemals wieder nach Iran lt gen? „Natürlich“, sagt sie am Telefon, „demnächst, warum denn nicht?“ Sie lacht, es klingt seltsam, so, als wür- de sie weinen. KOMPETENZ FÜR SCHÜLER Das Buddy-ProJekt. Für Lehrer,für Schüier, für den Ausbau von gemeinsamem sozialen Engagement. Damit es an Schulen rund läuft — und nicht rund geht. Themenhefte: Streit. Schulverweigerung. Gewalt. Strassenkinder. Mehr Informationen unter www.buddy-projekt.de oder per kostenlosem Vodafone-lnfoFax-Abruf/ Dokument Nr.195 unter: o8oo / 1721414 Känsttarin Foroubar, Arb&ten: Sie verwandelt ihre Trauer in Zähigkeit $ SOZ.ÄLE 0 vodafon& STIFTUNG DEUTSCHLANDDownload Attachments: