Aadel Collection

Established Pattern

          
          Waffen h an del
          Bewährtes
          Muster
          Geheime Untetlagen beweisen: Wie
          der irak kaufte iran für seine Waffen- L .
          produktion in Deutschland ein.
          D er Techniker aus Kaufbeuren war
          lange auf der Hut gewesen. Karl-
          Heinz Schaab, 62, hatte sich in ei-
          nem Dorf irgendwo zwischen Rio dc Ja-
          neiro und Säo Paulo versteckt.
          Mit seiner Frau Brigitt e, die regel-
          mäßig ärztliche Behandlung benötigt,
          lebte er in einem Häuschen ohne Hei-
          zung. Wenn es kalt wurde, zogen sie in
          der guten Stube dicke Mäntel an.
          Die beiden besuchten nur verläßliche
          Bekannte. Einmal, im September, saß
          Schaab bei Freunden in einem Hinter-
          zimmer, als Fahnder der brasilianischen
          Polizei vorn an der Tür nach ihm fragten.
          Sein Gastgeber redete sich heraus. Der
          Bayer in Brasilien tauchte wieder ab.
          Am vorigen Dienstag, nach fast ein-
          jähriger Flucht, machte Schaab es sei-
          nen Jägern leicht. Als er in Rio — wie
          mit den Behörden vereinbart — seine
          Aufenthaltserlaubnis verlängern wollte,
          warteten schon brasilianische Strafver-
          folger und ein deutscher Ermittler auf
          ihn. Der oberste Gerichtshof Brasiliens
          hatte der Festnahme zuvor zugestimmt.
          Große Politik hat der unscheinbare Mann
          aus dem Allgäu gemacht.
          Den Vereinten Nationen in New York
          gilt er als ein flihrender Kopf des
          „Ich hrn schuldig ge-
          worden“, hatte Schaab vor
          drei Monaten in seinem
          Versteck in einem SPIE-
          GEL-Interview (38/1996)
          bekannt. Gleichzeitig hat-
          te der Techniker aber klar-
          gemacht, daß er ange-
          sichts der umfangreichen
          deutschen Lieferungen
          (siehe Grafik über die Ra-
          ketenteile) nicht stellver-
          tretend für alle Helfer des
          Diktators „an den Pranger
          gestellt werden will“.
          Vorsorglich hat sein
          Augsburger Anwalt, Ralf
          Schönauer, schon vor Mo-
          naten Beschwerde gegen
          den internationalen Haft-
          befehl beim Bayerischen
          Obersten Landesgericht
          eingelegt. Nach dem inter-
          nationalen Auslieferungs-
          recht dürfe Schaab wegen
          einer „politischen Tat‘
          nicht übersteht werden —
          Schönauer will dies mit
          allen rechtlichen Mitteln‘ 4
          verhindern.
          Durch Schaabs Akti-
          vitäten, so die Argumenta-
          t on der Bundesanwa ltschaft, stünden die
          Deutschen weltweit am Pranger. Sie
          müßten „Nachteile im Bündnissystem
          flirchten“ und auch die negative „öffent-
          liche Meinung der Staatengemeinschaft“.
          Jetzt ist Schaab gefaßt — und die Pro-
          bleme gehen für die Deutschen erst rich-
          tig los. Redet Schaab, wie er es im SPIE-
          GEL angekündigt hat, heizen die neuen
          Enthüllungen über die deutsch-irakiscbe
          Zusammenarbeit womöglich den Kon-
          flikt zwischen Teheran und Bonn weiter
          an. Die iranische Regierung hatte jüngst
          Zündeln in Nahost Zulieferungen deutscher Firmen fur irakische Scud B-Raketeri
          sf14 t 4 ‘FFÄ1
          ABC, Anlagen Bau Contor Stutensee Feueralarmsysteme, Teile für Scud
          Aufbau einer kompletten Rüstungsfabrik,
          H H Metalfonn Drensteinfurt
          Teile und Werkzeuge für Send
          PreJekt-Betreuungs-Gesellschaft mbll rototypeneiiiiTAbschuseinrichtung, Raketen-
          twerk Steuer-und Rechnersysteme
          Anton Eyeile Kaufbeuren
          • c Masch Inenbau GhH
          C. Plath 1(6 Hamburg, Litton Systems GmbH Hamburg
          !J j! Export-Union Düsseldorf GmbH
          Havert-Handels-Geselischaft Neu-tsenburg
          lnwako GmbH Bonn, Klaus Weihe Kiel
          Lelfeld & Co. GmbH Aalen
          Mannesmann-Rexroth GmbH‘ Lohr
          Louls Fischer Offenburg
          Hoesch Rothe Erden Dortmund
          Marrel GmbH Wülfmath, Daimler-Benz AG Stuttgart
          Zünder für Raketen, Werkzeugmaschinen zur
          Herstellung von Raketen
          Turbopumpen für Raketentriebwerke
          Bauteile für Scud
          Spezialbi‘eche für Raketen
          Bauteile für Scud
          Raketenteile, Maschinen
          Maschinen und Werkzeuge zur Scud-Herstellung
          tSe SrA5 ffiitmtchvang n von Schd
          Maschinen und Bauteile zur Scud-Herstellung
          Teile für Send -
          Fahrzeuge für mobile Abschußrampen der Scud
          1 Jai r‘t ih Strafe“
          2 Jahre und 10 Monate Freiheitsstrafe
          1 Jahr und 8 Monate Freiheitsstrafe,
          75000 Mark Geldstrafe
          5 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe
          1 Jahr Freiheitsstrafe
          - -
          n__
          Verfahren läuft
          rfahren läuft
          Verfahren läuft
          Verfahren läuft
          Verfahren läuft
          Veffahren lSüft
          Verfahren läuft
          Verfahren wegen Veijährung eingestellt
          Verfahren eingeste ltt
          • t$ti .
          -
          Iranische Rakete
          ‚Sensitive Exporte Im Namen Gottes T M
          irakischen Atomwaffenprogramms.. Die
          Kar lsruher Buridesanwaltschaft will
          dem gelernten Modellbauer wegen
          Landesverrats den Prozeß machen. Bis-
          lang ist eine solche Anklage in Deutsch-
          land nur gegen Agenten erhoben wor-
          den, die für eine fremde Macht spioniert
          hauen.
          Der frühere Chef der RO-SCH-Ver-
          bundwerkstoffe GmbH in Kaufbeuren
          soll eine Schlüsselfigur unter den vielen
          Helfern des irakischen Diktators Saddam
          Hussein gewesen sein.
          34 DER SPIEGEL 51/1996
          AA00028 1
        
          
          Bonn beschuldigt, den Erzfeind Bagdad
          hochgerüstet zu haben.
          Als Retourkutsche auf den deutschen
          Haftbefehl gegen den iranischen Geheim-
          dienstminister Ah Fallahian und die Be-
          schuldigungen gegen den religiösen Füh-
          rer A h Chamenei hatte Teheran sogar da-
          mit gedroht, Verfahren gegen Mkglieder
          der Bundesregierung einzuleiten. Begrün-
          dung: Deutsche Firmen hätten am Bau
          von Chemiewaffenfabriken im Irak mitge-
          wirkt Außerdem seien deutsche Unter-
          nehmen auch an der Modifizierung iraki-
          scher Scud-B-Raketen beteiligt gewesen.
          Bonn wiegehe ab. Nach Bagdader An-
          gaben seien die Chemieanlagen für land-
          wirtschaftliche Zwecke gedacht gewe-
          sen, erklärte der stellvertretende Regie-
          rungssprecher Herbert Schmülling. Eine
          offizielle Unterstützung des irakischen
          .Raketenprogramrns habe es niernats ge-
          geben. Soweit einzelne Unternehmen
          • sich verdächtig gemacht hätten, seien
          „Strafverfahren eingeleitet und teilweise
          inzwischen durch Urteile abgeschlossen
          worden“.
          Der Umgang deutscher Regienings-
          stellen mit dem Thema Rüstungsexport
          war immer schon eine Meisterleistung an
          Heuchelei. Obwohl etwa 80 Prozent der
          Lieferungen für die bochsensitive Waf-
          fenproduktion aus der Bundesrepublik
          kamen, schlug das Auswärtige Amt in ei-
          nem vertraulichen Papier vor, auf andere
          zu verweisen. So sollte von eigener
          Schuld abgelenkt werden. Unter „Be-
          treff: Festgestellte Anlagenteile deut-
          scher Herkunft“ vermerkte das Ministeri-
          um., es wäre von Vorteil, wenn „mit
          gleicher Sorgfalt Unternehmen anderer
          Staaten erfaßt“ würden. Nur Da war
          wenig festzuhalten.
          Die rechtliche Aufarbeitung der Irak-
          Aflüren fiel dürftig aus. Manche Anklage
          schmort schon seit vier Jahren. Einige
          der inkriminierten Lieferungen sind be-
          reits verjährt. Viele Lieferanten kamen
          mit milden Strafen oderungestraft davon.
          Dabei steht schon die nächste Enthül-
          lung eines Sündenfalls in Nahost an. Bei
          den Inspektionen im Irak stießen die
          Uno-Abgesandten auch auf Papiere in
          persisch, die versehentlich nach Bagdad
          gelangt waren. Da lag der Schluß nahe:
          Die deutschen Unternehmen haben die
          einstigen Kriegsfeinde Bagdad und Tehe-
          ran nach gleichem Muster mit den glei-
          chen Anlagen versorgt und dabei ein paar
          Anschreiben verwechselt
          Iran, stellte der Bundesnachrichten-
          dienst dann auch schnell fest, habe „die
          Konzentration der Weltöffentlichkeit und
          der Nachrichtendienste auf den [ mir‘ seit
          Sommer 1989 geschickt genutzt, um
          selbst einzukaufen. Dabei hinkten „seine
          Einkäufe dem des Irak jeweils nur um ein
          bis zwei Jahre hinterher“.
          Bei seinen „Beschaffungsaktionen“
          habe sich Teheran „an die gleichen Fir-
          men gewendet, die das gesuchte Material
          bereits zuvor schon an den Irak oder teil-
          weise nach Pakistan geliefert hatten“. In
          der Szene würden, so der BND, offenbar
          Listen „lieferwilliger Firmen“ kursieren.
          Drehscheibe für alle Geschäfte der
          Teberaner Waffenbeschaffer ist die „Dc-
          fence Industries Organization“ (DIO),
          auf deren Brieikopfjm Namen Gottes 4 ‘
          DEUTSCHLAND
          steht. Das sollte keiner wörtlich neh-
          men.
          Die DlO, so der BND, sei „verantwort-
          lich für die Entwicklung und Fertigung
          11er rüstungsrelevanten Güter innerhalb
          s Iran“. Auff l1end war in den achtzi-
          ger Jahren das Engagement des deut-
          schen Außenministeriums für die DIO.
          Während die Inner beispielsweise ihr
          Waffenkontor in London 1987 schließen
          mußten, konnte die DlO von Düsseldorf
          aus unbehelligt und anfangs sogar mit
          Unterstützung Bonns aus akquirieren.
          So hat die früher bundeseigene Fritz
          Werner GmbH von 1960 bis 1989 Iran
          mit Waffenanlagen im Wert von über 5,5
          Milliarden Mark aufgerüstet — und dabei
          hat auch Bonn kräftig geholfen. Noch im
          Juni 1989, kurz nach dem ersten Golf-
          krieg, übergab die Firma den Mu llahs
          eine Munitionsfabrik.,
          Die Waffenbeschaffiing erfolgte — Ge-
          heimdienstberichien zufolge — in engem
          Zusammenspiel von D IO und der irani-
          schen Botschaft in Bonn. Das Bundesamt
          für Verfassungsschutz stellte früh fest,
          daß vornehmlich Mitarbeiter der Wirt-
          schaftsabteilung der Residentur „Cie-
          schäftskontakte zu Händlern und Fi:r-
          men“ unterhielten, die „notwendige Pro-
          dukte für die ABC-Waffensysteme ver-
          kaufen“. „Sensitive Exporte“ würden in
          der Regel auch über „diverse iranische
          (Tarn-)Firmen“ im Bundesgebiet abge-
          wickelt. Ein Schwerpunkt sei Düsseldorf
          Die neue Eiszeit zwischen Bonn undTe-
          heran macht Rücksicht offenbar überflüs-
          sig. Mitte Oktober schaute ein Außenwirt-
          schafisprüfer der Oberfmanzdirektion
          Düsseldorf bei der DiO vorbei, um Geneh-
          Iraner sperrten den
          Prüfer vorn Finanzamt
          auf der Toilette ein
          migungen für etliche Geschäfte zu über-
          prüfen. Die DIO in Düsseldorf gilt als Ein
          kaufszentrale für Iran-Waffen in Europa.
          Die Iraner reagierten nicht sehr gast-
          freundlich. Nach einigem Gezerre wurde
          der Beamte kurzfristig auf der Toilette
          eingesperrt. Alarmierte Zollfahnder aus
          Düsseldorf konterten prompt: Sie durch-
          suchten die Filiale. Hunderte Geschäfts-
          schreiben wurden beschlagnahmt.
          Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf lei-
          tete ein Ermittlungsverfahren gegen
          DIO-Manager ein. Geprüft wird, ob die
          Firma illegale Exporte vermittelt hat.
          Das Kölner Zollkriminalamt gründete
          dazu eine „Sonderkommission DIO“.
          Drei Übersetzer transkribieren die oft ver-
          schlüsselt formulierten Geschäftsberichte
          vom Persischen ins Deutsche. In allen Be-
          reichen — von den fürchterlichen Biolo-
          giewaffen bis hin zum Raketenprogramm
          — gibt es inzwischen schon recht konkrete
          Hinweise auf ein umfassendes Zusam-
          menspiel mit deutschen Herstellern.
          Iran protestierte bei der Kohl-Regie-
          rung gegen die ungewohnte Behandlung
          — vergebens. Die alten Iran-Freunde in
          Bonn halten sich derzeit zurück.
          Da halfen sich die Iraner selbst. Als am
          29. November bei der DlO in Düsseldorf
          ein Möbelwagen vorfahr und die Zoll-
          fahnder erneut ausrückten, um Akten ab-
          zuholen, standen sie vor leergeräumten
          Büros. Von Frankfurt aus waren die noch
          nicht konfiszierten Unterlagen nach Te-
          heran geschaffl worden. So wi:rd wohl
          erst in den nächsten Monaten das Aus-
          maß der Iran-Geschäfte deutlich.
          Vorsorglich warnte die DIO ihre Part-
          nerfirmen schon mal vor drohenden
          Durchsuchungen: Heikle Unterl4gen
          sollten schnellstens in die iranische Bot-
          schaft nach Bonn gebracht werden.
          Experten kommt das Prozedere vertraut
          vor. Ahntich ging es 1990 nach Ausbruch
          der Golfkrise zu. Nach langem intensiveni
          Wegschauen wurden erstmals die Sünden
          von Saddam-Helfern wie Schaab & Co.
          ein Thema für deutsche Behörden. a
          Atomsplon Schaab
          In Rio in die Falte gegangen
        

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