Aadel Collection

Unrest in court

          
          VON JENS ANKER
          Der Prozesstag begann mit einem
          dumpfen Schrei. Dann ein (3erangel.
          Jemand ruft: „Lass los, Du
          Schwein!“ Schließlich taucht Hamid
          Khorsand in der durch scbusssiche-
          res Glas begrenzten Anklage-Box
          auf. Der Vorsitzende Richter hatte
          / ihn in den Katakomben des Kam-
          mergerichts zum Erscheinen im Ge-
          richtssaal überreden können. Khor-
          sand blutete an der rechten Wange
          und am rechten Handgelenk. Die
          Verletzungen sind offenbar durch
          das Anlegen der Handschellen ver-
          ursacht worden — und die Gegen-
          wehr, die der Angeklagte dabei leis-
          tete.
          • „Ich akzeptiere diese Verhand-
          lung nicht“, sagte I-lamid K., der vier.
          Jahre lang für den iranischen Cc-
          heimdienst in Berlin, der Bundesre-
          publik, in Italien und Frankreich
          spioniert haben soll. Gestern begann
          der Prozess vor dem Kammergericht
          an der Elßholzstraße in Schöneberg.
          Seiner Ablehnung des Gerichts
          verlieh Khorsand durch seine Klei-
          dung Nachdruck: Er trug kurze,
          knallbunte Bennuda-Shorts und ein
          blau-gelb-lila-rosa gestreiftes Hemd,
          das halboffen den Blick auf seine
          Brust freigab. „Keine Diskussionen“,
          insistierte er weiter ungefragt. „Sie
          haben sich etwas vorgenommen. Zie-
          hen Sie es durch“, sagte er in Rich-
          tung des Vorsitzenden Richters
          FriethjofKubsch.
          Für den Verfassungsschutz ist Ha-
          mid Khorsand ein kleiner Fisch.
          P Dennoch kann sein Fall zu größeren
          diplomatischen Verwicklungen füh-
          ren. Zwei Wochen nach seiner Fest-
          nahme wurde auch der deutsche Ge-
          schäftsmann Helmut Hofer im Iran
          wiS nhaftiert, nachdem er zuvor
          36-Jährige lehnt das Gericht ab.
          gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt
          worden war. Der 36—jährige Khor-
          sand hat nach den Erkenntnissen dci
          Bundesanwaltschaft die iranische
          Opposition im Exil ausspioniert.
          Zum Schein soll er sich der füh-
          renden Exilbewegung, den Volks-
          mudjaheddin, angeschlossen und
          führende Mitglieder ausgehorcht ha-
          ben. Darüber hinaus organisierte er
          Reisen iranischer Oppositioneller zur
          Fußballweltmeisterschaft in Frank-
          reich und zu Staatsbesuchen des ira-
          nischen Präsidenten in italien, Frank-
          reich und Deutschland. Ziel dieser
          Aktionen war es, gegen das iranische
          Regime zu demonstrieren. Der Iran
          ZEICHNUNG: BÖER
          macht militante Oppositionelle für
          Unruhen im eigenen Land verant-
          wortlich. Die Volksmudjaheddin i m-
          terhalten eine eigen Armee, die von
          Irak aus gegen den Iran vorgeht. Der
          Kampf zwischen beiden Seiten wird
          erbittert geführt.
          Doch um die Sache ging es am
          gestrigen ersten Verhandlungstag
          nicht. Vielmehr bestimmten juristi-
          sche Fonnfragen den Vormittag. Vor
          dem Angeklagten nahmen drei Ver-
          teidiger Platz, doch nur einer ist der
          Jurist seines Vertrauens. Ausgerech-
          net dieser ist jedoch erst seit ein paar
          Tagen mit dem Fall betraut, so dass
          ei ünftige Vorbereitung nicht
          möglich war. Zudem hat sich dei An.
          geklagte öffenbar mit seiner Pflicht-
          verteidigerin überworfen. Beide
          machten klar, dass es „unüberbrück - !
          bare Auffassungsgegensätze“ zwi-
          sehen ihnen gibt, die ein Ende des
          Mandats nötig machten. Doch das
          lehnte das Gericht ab. Ein Gespräch
          soll Klärung bringen.
          Dann bekräftigte Khorsand seinen
          Ablehnungsantrag gegen den Vorsit-
          zenden Richter. Er habe schon im
          Mykonos-Verfahrer dem Gericht
          vorgestanden. Auch da ging es um
          Verstrickungen des Geheimdienstes
          und diplomatische Verwicklungen —
          allerdings im Zusammenhang mit
          der Ermordung von kurdischen Exil-
          Politikern in einem Berliner Restau-
          rant. Der 1. Strafsenat des Kammer-
          gerichts verurteilte im April 1997 I
          zwei der Angeklagten zu lebenslan-
          ger Haft. Seitdem versucht die ira-
          nische Regierung, die Ausweisung
          des Haupttäters, Kazem Darabi, zu
          erreichen, heißt es in diplomatischen
          Kreisen. Kazem Darabi soll in dem
          Prozess gegen Khorsand als Zeuge
          aussagen. Die Anklage fußt auf einer
          Reihe von Telefonüberwacbungen,
          die das Bundeskriminalamt vorge-
          nommen hat. Danach hat Khorsand
          seine Aufträge bis 1997 direkt von
          einem Führungsoffizier aus Berlin
          erhalten. Nachdem dieser im Zusam-
          menhang mit dem Mykonos-Urteil
          ausgewiesen worden war, hielt er te-
          lefonischen Kontakt mit dem Iran.
          Zuletzt arbeitete der Angeklagte in
          der deutschen Zentrale der Volks-
          mudjaheddin in Köln und war dort
          mit Ubersetzungen beschäftigt, er-
          mittelte die Bundesanwaltschaft. Der
          Prozess wird kommenden Mittwoch
          mit der Vernehmung Khorsand fort-
          gesetzt — vorausgesetzt der Ange-
          klagte äußert sich zu den Vorwürfen.
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          Prozessbegiim um Spionage des iranischen Geheimdienstes — A ngeklagter in Handschellen
          Der mutmaßliche iranische Spion Hamid Khorsand auf der Anklagebank. Der
          AA0002 T9
        

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